Die Liebenden von Leningrad
Verstehst du mich endlich?«
»Nein! Warum um alles in der Welt hast du mich denn geheiratet, wenn die Lügerei und die Geheimniskrämerei jetzt immer noch kein Ende haben?«
»Ich habe dich geheiratet«, schrie Alexander in seiner Hilflosigkeit, »damit ich dich jederzeit vögeln kann! Hast du es immer noch nicht kapiert? Jederzeit! Was sollte ein Soldat auf Urlaub denn sonst wollen? Wenn ich dich nicht geheiratet hätte, würde dich jetzt jeder in Lazarewo als meine Hure bezeichnen!« Ungläubig und fassungslos starrte Tatiana ihn an. Sie taumelte gegen die Wand. Ihre Beine gaben nach. »Du hast mich geheiratet, damit du was ...?«
Alexander zitterte am ganzen Körper. »Tatia ...« »Nenn mich nicht Tatia!«, schrie sie. »Zuerst beleidigst du mich und dann sagst du Tatia? Deine Hure , Alexander?« Sie stöhnte auf und schlug sich die Hände vors Gesicht. »Tania, bitte ...«
»Glaubst du, ich weiß nicht, was du da tust? Glaubst du, ich weiß nicht, dass ich dich hassen soll, damit ich dich ziehen lasse? Weißt du was«, presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, »du versuchst es jetzt schon lange, und ich glaube, es ist dir endlich gelungen.« »Tania, bitte ...«
»Seit Tagen weist du mich ab, nur damit es dir leichter fällt zu gehen!«
»Ich komme doch zurück«, erwiderte Alexander rau. »Warum bist du eigentlich überhaupt hierher gekommen?« Tatiana rannte zu ihrer Truhe und durchwühlte sie, bis sie den Puschkin fand. Sie zog eine Hand voll Geldscheine heraus. »War es das?«, schrie sie. »Bist du wegen deines amerikanischen Geldes gekommen? Wegen der zehntausend Dollar? Damit du ohne mich nach Amerika fliehen kannst? Glaubst du etwa, ich hätte nur die Rubel im Buch gefunden und nicht auch die Dollar, die vorn im Buchdeckel versteckt waren? Oder wolltest du mir etwas von dem Geld dalassen, als eine Art Dankeschön, weil du die Beine breit gemacht hast, Tatiana!« »Tania ...«
Wütend nahm sie sein Gewehr und drückte ihm den Griff in den Bauch. Die Mündung zeigte auf sie selbst. »Ich will zurückhaben, was du mir genommen hast. Es tut mir Leid, dass ich mich für dich bewahrt habe, aber jetzt kannst du mich erschießen - du Lügner und Dieb! Das willst du doch sowieso. Drück schon auf den Abzug!« Sie stieß ihm das Gewehr fest in den Magen. »Na los, Alexander«, sagte sie, »fünfunddreißig Schüsse, direkt in mein Herz.« Wortlos nahm er ihr das Gewehr weg.
Tatiana gab ihm eine Ohrfeige. »Ich will, dass du auf der Stelle gehst.« Eine Träne rollte ihr über die Wange. »Wir hatten eine gute Zeit, aber das ist jetzt vorbei. Du hast mich gevögelt, wann immer dir danach zumute war. Das habe ich jetzt kapiert. Vom ersten Tag an hast du nichts anderes gewollt. Nun, du hast bekommen, was du wolltest, also geh jetzt.« Sie riss sich den Ehering vom Finger und schleuderte ihn zu Boden. »Da - den kannst du deiner nächsten Hure geben.« Erschöpft stieg sie wieder ins Bett und kroch unter das Laken. Alexander ging nach draußen, sprang in die Kama und schwamm mit kraftvollen Zügen durch das kalte Wasser, als könne er dadurch seinen Schmerz, seine Schuld und seine Liebe von sich abwaschen. In drei Tagen würde Vollmond sein. Wenn ich im Wasser bleibe, dachte er, kann ich vielleicht mit dem Fluss in die Wolga und dann bis ins Kaspische Meer treiben, und niemand wird mich je finden. Ich möchte nur dahintreiben und nichts mehr fühlen. Mehr will ich nicht. Nie mehr etwas fühlen.
Schließlich ging er wieder ins Haus.
Er kletterte ins Bett, legte sich stumm neben Tania und lauschte ihren Atemzügen. Sie lag zusammengerollt mit dem Gesicht zur Wand und hatte ihm den Rücken zugedreht. Schließlich schlug er die Decke zurück und rieb sich an ihr. Dann spreizte er ihr leicht die Beine und drang in sie ein. Eng drückte er sich an sie. Tatiana rührte sich kaum. Sie entzog sich ihm nicht, aber sie gab auch keinen Laut von sich. Sie bestraft mich, dachte Alexander und schloss die Augen. Ich hätte noch viel Schlimmeres verdient. Und doch konnte er ihr Schweigen kaum ertragen. Er küsste sie auf den Kopf, auf die Haare, auf die Schulter und konnte sich nicht dicht genug an ihren warmen Körper drängen. Schließlich gab sie nach, stöhnte leise und ergriff seine Hand. Sie weinte.
»Tatiascha, es tut mir so Leid«, flüsterte er. »Es tut mir Leid, dass ich so herzlose Worte gesagt habe. Ich habe sie nicht so gemeint. Nicht ein einziges Wort. Das weißt du doch.« Er drückte sie an
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