Die Liebenden von Leningrad
langsam.
»Ich habe gesagt, vielleicht sollte Tania die Blockade brechen, Sie ist sehr geschickt darin.«
»Wovon redest du?«
»Diese Frau ...«, sagte Dimitri bewundernd. »Die käme sogar bis nach Australien, wenn sie es wollte.« Lachend warf er den Kopf nach hinten. »Ehe wir uns versehen, bringt sie regelmäßig Lebensmittel von Molotow nach Leningrad.« »Wovon redest du, verdammt noch mal?« »Ich sage dir lediglich, dass wir die Blockade von Tatiana Metanowa brechen lassen sollten, statt zweihunderttausend Menschenleben zu opfern.«
Alexander drückte seine Zigarette aus und murmelte: »Ich habe keine Ahnung, was du damit sagen willst.« »Ich habe zu ihr gesagt, >Tania<, habe ich gesagt, >du solltest in die Armee eintreten. Du würdest in kürzester Zeit General werden!< Und sie hat geantwortet, eigentlich hätte sie eher überlegt ...«
»Was soll das heißen?«, unterbrach Alexander ihn, »was soll das heißen, du hast zu ihr gesagt?«
»Na, vor einer Woche! Sie hat mich zum Essen in der Fünften Sowjet eingeladen. Die Leitungen sind endlich repariert worden. Die Wohnung, na ja, es wohnen völlig fremde Leute darin, aber ..,« Dimitri lächelte verträumt. »Sie ist immer noch eine gute Köchin.«
Alexander nahm all seine Kraft zusammen, um gleichmütig zu reagieren.
»Was ist los?«, fragte Dimitri und blickte ihn amüsiert an. »Nichts. Aber wovon redest du überhaupt, Dima? Ist das wieder eine deiner kleinen Notlügen? Tatiana ist nicht in Leningrad.«
»Alexander, glaub mir, ich würde Tatiana überall erkennen.« Er lächelte. »Sie sieht gut aus! Sie hat mir erzählt, dass sie sich mit einem Arzt trifft.« Er lachte. »Kannst du dir das vorstellen? Unsere kleine Taneschka! Wer hätte gedacht, dass sie als Einzige am Leben bleibt?«
Alexander hätte ihm gern das Wort abgeschnitten, aber er traute seiner Stimme nicht. Stumm umklammerte er die Stuhllehne. Er hatte erst gestern einen Brief von ihr bekommen! Einen Brief!
»Tania hat mich in der Kaserne gesucht. Sie hat mich zum Abendessen eingeladen und erzählt, sie sei seit Mitte Oktober in Leningrad. Nein, und wie sie dort hingekommen ist!« Dimitri lachte herzlich. »Wenn ich mich an dem gerechten Kampf beteilige, möchte ich sie an meiner Seite haben.« Mit mühsam bewahrter Fassung erwiderte Alexander: »Ach, und wann beteiligst du dich endlich am gerechten Kampf, Dimitri?«
»Sie ist sehr schlau ...«
»Dimitri, es interessiert mich nicht die Bohne. Mir ist im Übrigen gerade aufgefallen, dass ich spät dran bin. Ich habe in ein paar Minuten eine Sitzung mit General Goworow. Entschuldige mich bitte.«
Als Dimitri gegangen war, brach sich Alexanders ohnmächtige Wut Bahn und er zertrümmerte den Stuhl, auf dem Dimitri gesessen hatte. Jetzt wusste er, was mit ihren Briefen nicht stimmte. Ihm wurde übel vor Zorn, und nicht einmal während der Sitzung mit Goworow konnte er sich beruhigen. Anschließend ging er zu Oberst Stepanow. »Ach du Schreck«, sagte Stepanow und trat um seinen Schreibtisch herum auf ihn zu. »Sie haben schon wieder diesen bestimmten Ausdruck in den Augen, Hauptmann Below.« Er lächelte.
Alexander hielt seine Mütze in der Hand und sagte: »Genosse Oberst, Sie waren immer sehr nett zu mir. Aber ich hatte, seit ich aus Molotow zurückgekommen bin, keinen einzigen freien Tag mehr.«
»Nun, Below, Sie hatten im Sommer schließlich über fünf Wochen Urlaub!«
»Ich bitte Sie nur um ein paar Tage, Genosse Oberst. Ich könnte einen Lastwagen mit Hilfsgütern nach Leningrad fahren, dann tue ich wenigstens zum Teil meine Pflicht.« »Was ist los, Alexander?«, fragte Stepanow leise. Alexander schüttelte unmerklich den Kopf. »Es ist alles in Ordnung.«
Stepanow blickte ihn prüfend an. »Hat es etwas mit dem Geld zu tun, das Sie jeden Monat nach Molotow schicken?« »Ja, Genosse Oberst, wir sollten die Überweisungen einstellen.«
Stepanows Stimme wurde noch leiser. »Hat es etwas mit dem Stempel des Standesamts in Molotow zu tun, den ich in Ihrem Pass gesehen habe?«
Alexander schwieg. »Genosse Oberst, ich habe dringend etwas in Leningrad zu erledigen.« Er rang um Fassung. »Es ist nur für ein paar Tage.«
Stepanow seufzte. »Wenn Sie nicht pünktlich zum Appell um zehn Uhr am Sonntag wieder hier erscheinen ...« »Genosse Oberst, ich werde da sein. Das ist mehr als genug Zeit, danke. Ich werde Sie nicht enttäuschen. Das vergesse ich Ihnen nicht.«
Als Alexander sich zum Gehen wandte, sagte Stepanow:
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