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Die Liebenden von Leningrad

Die Liebenden von Leningrad

Titel: Die Liebenden von Leningrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paullina Simons
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zu Tatiana. Dr. Sayers sagte: »Wir haben ihn in Leningrad aufgegriffen, er war schwer verwundet ...«
    Unmerklich stieß Tatiana Dr. Sayers an. »Seien Sie still«, flüsterte sie. »Das gibt nur Ärger.«
    »Er mag ja schwer verwundet sein«, stellte der NKWD-Soldat fest, »aber er ist kein Finne.« Die drei Soldaten lachten. Einer der Männer trat auf Dimitri zu. »Chernenko, erkennst du mich nicht?«, sagte er auf Russisch. »Ich bin es, Rasskowskij.« Dimitri ließ seinen gesunden Arm sinken. »Hoch mit dem Arm!«, schrie der Soldat ihn an. Wo mochte Dimitri seine Waffe haben?, fragte sich Tatiana. Hatte er überhaupt eine dabei? Die beiden anderen Soldaten standen in einigem Abstand zu Dimitri. »Kennst du ihn?«, fragte einer von ihnen und ließ sein Gewehr sinken.
    »Natürlich kenne ich ihn!«, rief Rasskowskij aus. »Chernenko, hast du vergessen, wie viel du mir immer für die Zigaretten abgeknöpft hast? Wie viel ich bezahlen musste, nur weil ich hier was zu rauchen haben wollte?« Er lachte. »Ich habe dich doch vor vier Wochen noch gesehen. Hast du das schon vergessen?« Dimitri schwieg.
    »Hast du geglaubt, ich erkenne dich nicht, weil du so hübsche Farben im Gesicht hast?« Rasskowskij schien sich großartig zu amüsieren. »Chernenko, Schätzchen, kannst du mir erklären, was du in einer finnischen Uniform in einem Rotkreuzjeep machst? Die Sache mit deinem Arm und deinem Gesicht verstehe ich ja. Da war jemand deine überteuerten Preise leid.« Einer der beiden anderen Soldaten warf ein: »Rasskowskij, fürchtest du, dass unser Lieferant abhauen will?« Sie brüllten vor Lachen.
    Dimitri blickte Hilfe suchend zu Tatiana, die seinen Blick nur kurz erwiderte und sich dann ab wandte. »Mir ist kalt«, sagte sie zu Dr. Sayers.
    »Tatiana«, schrie Dimitri auf Russisch. »Willst du es ihnen sagen? Oder soll ich es tun?«
    Rasskowskij drehte sich zu ihr um und sagte: »Tatiana? Eine Amerikanerin, die Tatiana heißt?« Er wandte sich an Sayers. »Was ist hier los? Warum redet er russisch mit ihr? Zeigen Sie mir noch mal ihre Papiere.«
    Dr. Sayers reichte ihm Tatianas Papiere, aber sie waren in Ordnung.
    Tatiana sah Rasskowskij direkt an und sagte auf Englisch: »Tatiana? Wovon redet der Mann? Uns hat er gesagt, er sei Finne. Stimmt's, Doktor?«
    »Absolut«, erwiderte Dr. Sayers. Er rückte ein paar Schritte von Tatiana ab und legte Rasskowskij freundlich die Hand auf den Rücken. »Hören Sie, ich hoffe, es gibt keinen Ärger. Er ist in unser Krankenhaus gekommen ...«
    In diesem Moment zog Dimitri seine Pistole und schoss auf Rasskowskij, der vor Tatiana stand.
    Sie war sich nicht sicher, auf wen Dimitri eigentlich gezielt hatte - er schoss mit der linken Hand -, aber sie ließ sich sofort zu Boden fallen. Gut möglich, dass er auf den NKWD-Mann gezielt hatte, aber getroffen hatte er Dr. Sayers. Aber vielleicht war das ja auch Absicht gewesen. Oder er hatte auf sie gezielt und sie verfehlt. Tatiana wollte lieber nicht darüber nachdenken. Rasskowskij rannte auf Dimitri zu, der abermals feuerte. Dieses Mal traf er Rasskowskij. Im selben Moment eröffneten die beiden anderen Soldaten das Feuer auf Dimitri, und durch die Wucht der Schüsse wurde er mehrere Meter weit nach hinten geschleudert. Plötzlich ertönten Schüsse aus dem Wald, aber keine einzelnen Gewehrschüsse, sondern Maschinengewehrfeuer. Der Jeep wurde getroffen, und die Windschutzscheibe zerbarst. Die beiden NKWD-Soldaten verschwanden im Wald. Auch das Seitenfenster zerplatzte, und Tatiana spürte einen Schlag an der Wange. Als sie mit der Zunge über die Stelle fuhr, erwischte sie etwas Scharfes. Blut tropfte aus ihrem Mund. Sie hatte jedoch keine Zeit, darüber nachzudenken, sondern kroch unter den Jeep, Dr. Sayers mit sich zerrend. Sie deckte ihn mit ihrem Körper.
    Dann sah sie Dimitri auf dem Boden liegen. Bewegte er sich tatsächlich, oder sah es im Schein des Mündungsfeuers nur so aus? Nein, er kroch tatsächlich auf den Jeep zu und streckte flehend die Hand nach ihr aus. »Tatiana ... Tatiana ... bitte ...« Tatiana schloss die Augen. Er wird mir nicht nahe kommen. Unvermittelt hörte sie ein pfeifendes Geräusch. Ein Blitz zerriss die Dunkelheit, und dann detonierte ein Geschoss so dicht neben ihr, dass sie das Bewusstsein verlor.
    Als sie wieder zu sich kam, wagte Tatiana zuerst nicht, die Augen zu öffnen. In ihren Ohren rauschte es, aber ihr war warm, als sei sie im heißen Badehaus in Lazarewo. Dr. Sayers lag immer noch halb

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