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Die Liebenden von Leningrad

Die Liebenden von Leningrad

Titel: Die Liebenden von Leningrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paullina Simons
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zwei Kisten mit Handgranaten, drei Kisten mit Feldminen, sieben Schachteln Munition und einem Fässchen Schießpulver für die Granatwerfer. Wie gut, dass es sich um einen gepanzerten Lastwagen handelte! Als Alexander Gatschina erreichte, konnte er schon den fernen Donner der Artillerie hören. Die Männer, die hinter ihm saßen, begannen zu zittern. Er vernahm den lauten Knall zahlreicher Bombenexplosionen, und auf einmal sah er das Gesicht seines Vaters vor sich, der von ihm wissen wollte, warum er sich in die Nähe des Todes begab, bevor seine Zeit gekommen war. Er sagte leise: »Dad, ich bin auf der Suche nach ihr!«
    Feldwebel Oleg Kaschnikow, ein junger Soldat, fragte: »Was haben Sie gesagt, Leutnant?«
    »Nichts. Manchmal rede ich mit meinem Vater ...«
    »Aber, Leutnant, Sie haben doch nicht russisch gesprochen!«, erwiderte Kaschnikow. »Es klang wie Englisch ...«
    »Es war kein Englisch, es war nur Unsinn ...«, antwortete Alexander.
    Als Alexander und seine Männer in Luga anhielten, war der Artilleriedonner schon längst kein fernes Grollen mehr. Das Land war eben und am Horizont sah man Rauch aufsteigen. Einmal, am vierten Juli, war Alexanders Familie in Amerika zum abendlichen Grillfest auf das Meer bei Nantucket hinausgesegelt. Vom Schiff aus konnten sie ein Feuerwerk beobachten. Der siebenjährige Alexander blickte zum Himmel, ganz verzaubert von den regenbogenfarbigen Lichtern, die laut über seinem Kopf explodierten. Etwas Schöneres als diese strahlenden Farben, die den Himmel erleuchteten, konnte er sich nicht vorstellen.
    Direkt vor dem Standort der Soldaten lag der Zugang nath Luga. Links erstreckten sich Felder und rechts ein Wald. Alexander erblickte zehnjährige Kinder, die aufsammelten, was von der diesjährigen Ernte übrig geblieben war. Am Rand der Felder hoben Soldaten und ältere Männer und Frauen Gräben aus. Sobald die Felder abgeerntet waren, würden sie vermint werden. Alexander packte sein Gewehr fester und wies seine Männer an, beim Lastwagen zu bleiben, während er sich auf die Suche nach Oberst Pjadischew machte, der die Verteidigungslinie entlang des Flusses befehligte. Pjadischew war erfreut über die zusätzlichen Waffen, ließ sie sofort von seinen Soldaten abladen und machte sich daran, sie zu verteilen. »Nur siebzig Gewehre, Leutnant?«, wandte er sich an Alexander. »Mehr haben wir leider nicht, Genosse Oberst«, erwiderte Alexander. »Aber es kommt weiterer Nachschub.« Anschließend brachte Alexander seine zwanzig Männer näher ans Flussufer, wo sie Schaufeln bekamen und ein paar Stunden lang gruben. Mit einem Fernglas suchte Alexander den Wald auf der anderen Seite des Flusses ab und stellte fest, dass die Deutschen zwar nahe herangerückt waren, aber noch keine Angriffsposition eingenommen hatten.
    Er wies die Männer an, die Konserven zuzubereiten, die sie mitgebracht hatten. Wasser nahmen sie aus dem Fluss. Dann übergab Alexander den Befehl über die Truppe seinen beiden Feldwebeln Kaschnikow und Schapkow und machte sich auf die Suche nach der Gruppe von Freiwilligen, die vor vier Tagen hier angekommen war.
    An diesem Tag fand er niemanden mehr, am nächsten Tag jedoch stieß er auf Zina. Sie stand auf dem Feld, erschöpft auf ihre Schaufel gestützt. Sie grub Kartoffeln aus und warf sie ungereinigt in einen Korb, Alexander schlug ihr vor, die Kartoffeln vorher zu säubern, damit mehr in den Korb hineinpassten. Zina warf ihm einen finsteren Blick zu und wollte schon etwas Unhöfliches erwidern, als sie seinen roten Stern sah. Also hielt sie den Mund. Alexander stellte fest, dass sie ihn nicht erkannte. »Ich suche Ihre Freundin«, sagte er zu Zina. »Ist sie hier bei Ihnen? Ein junges Mädchen, Tatiana.«
    Zina blickte ihn angstvoll an. »Ich habe sie länger nicht gesehen«, erwiderte sie. »Vielleicht ist sie da drüben.« Vage wies sie mit dem Arm in eine Richtung.
    Wovor hat sie Angst?, fragte sich Alexander und seufzte gleichzeitig erleichtert auf. »Also ist sie hier. Wo genau?« »Ich weiß nicht. Wir wurden getrennt, als wir aus dem Zug stiegen.« »Wo war das?«
    »Ich weiß nicht.« Zina war offensichtlich nervös. Ihre Schaufel verfehlte den Korb und die Kartoffeln fielen zu Boden. Ohne sie einzusammeln grub sie weiter.
    Alexander stieß zweimal mit seinem Gewehr auf den Boden.
    »Genossin Atapora! Richten Sie sich auf! Stehen Sie gerade!«
    Zina gehorchte rasch. »Erkennen Sie mich?«
    Ängstlich schüttelte sie den Kopf.
    »Wundern Sie sich

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