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Die Liebenden von Leningrad

Die Liebenden von Leningrad

Titel: Die Liebenden von Leningrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paullina Simons
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nicht, dass ich Ihren Namen kenne?«
    »Sie können solche Sachen doch herausfinden«, murmelte Zina.
    »Ich bin Alexander Below«, sagte er. »Ich habe Tatiana immer von Kirow abgeholt. Daher weiß ich Ihren Namen. Erinnern Sie sich jetzt?«
    Erleichterung machte sich auf Zinas schmutzigem Gesicht breit. »Tatianas Familie macht sich große Sorgen um sie. Wissen Sie, wo sie ist?«
    In Zinas Erleichterung mischte sich Abwehr. »Hören Sie«, sagte sie laut. »Sie wollte, dass ich mit ihr aussteige, aber ich habe es nicht getan. Ich bin keine Deserteurin!« »Wo mit ihr aussteigen? Außerdem können Sie keine Deserteurin sein«, erwiderte Alexander. »Sie sind doch eine Freiwillige.« Offenbar wollte Zina ihn nicht verstehen. »Na ja, wie auch immer ... Ich habe sie schon seit Tagen nicht mehr gesehen. Sie ist nicht mit uns nach Luga gefahren. Sie ist in Tolmachewo aus dem Zug gesprungen.«
    Alexander wurde blass. »Aus dem Zug gesprungen ...« »An einer Weiche ist der Zug ein bisschen langsamer geworden und da ist sie abgesprungen. Ich habe gesehen, wie sie den Hügel hinuntergerollt ist.« Zina schüttelte den Kopf. Mühsam beherrscht fragte er: »Warum haben Sie sie nicht aufgehalten?«
    Mit lauter Stimme entgegnete Zina: »Ich habe ihr noch gesagt: Tu es nicht! Und sie wollte auch noch, dass ich mit ihr gehe!« Sie lachte. »Ich sollte aus dem Zug springen! Warum hätte ich das tun sollen? Ich suche nicht nach meinem Bruder. Ich bin hierher zu der Freiwilligenarmee gekommen. Für Mütterchen Russland.«
    Alexander wandte sich von ihr ab. Zina fuhr fort zu graben. Dabei murmelte sie: »Ich bin nicht vom Zug gesprungen. Ich bin keine Deserteurin!«
    Rasch ging Alexander zu seinen Männern zurück. Kurz darauf fuhr er mit Kaschnikow und fünf Freiwilligen die achtzehn Kilometer lange Strecke nach Tolmachewo. Der Ort war fast völlig verlassen. Sie streiften durch die leeren Straßen, bis sie schließlich auf eine Frau stießen, die ein Kind und einen Beutel trug. Die Frau erklärte ihnen, Dohotino läge drei Kilometer weiter westlich. »Aber Sie werden dort niemanden finden«, sagte sie. »Da ist keiner mehr.«
    Sie fuhren trotzdem hin. Die Frau hatte Recht gehabt: Alle Hütten standen leer und viele waren völlig ausgebombt und niedergebrannt. Trotzdem suchte Alexander nach Tatiana. »Tania!«, rief er immer wieder. »Tatiana!« Er blickte in jede einzelne Hütte, sogar in die ausgebrannten. Auch seine Männer sahen sich nach Tatiana um. Ihr Name klang aus dem Mund der anderen fremd in seinen Ohren. Kaschnikow war ein guter Feldwebel. Er stellte Alexander keine Fragen. Die Männer waren froh, ihm helfen zu können. »Tania! Tania!«
    Aber sie fanden niemanden. Nur Reste von Decken, Rucksäcken, Zahnbürsten.
    Außerhalb von Dohotino gab es ein Schild mit einem Pfeil: Sommerlager Dohotino. Über einen Pfad gelangten die sieben Männer zu einer Wiese, auf der an einem großen Teich zehn verlassene Zelte standen.
    Alexander durchsuchte die Zelte und die Umgebung und stellte fest, dass es ursprünglich elf Zelte gewesen sein mussten. Eins war abgebaut worden. Am Boden sah man noch, wo die Heringe herausgezogen worden waren. Alexander ließ auch die übrigen zehn Zelte von seinen Männern abbauen. Sie waren groß und aus solider Leinwand und sie konnten sie gut gebrauchen. Die Feuerstelle war kalt, als habe sie seit Wochen schon nicht mehr gebrannt. Und es gab keine Spur von Lebensmitteln oder Abfall.
    Spät am Abend kehrten sie nach Luga zurück. Alexander und seine Männer schlugen die Zelte am Wald hinter dem Armeelager auf. Er lag mit seinem Mantel zugedeckt auf dem blanken Boden. Lange Zeit konnte er nicht einschlafen. In Amerika, bei den Pfadfindern, hatte er auch immer in Zelten im Wald geschlafen und Beeren und Fische gegessen. Abends hatten sie ein Lagerfeuer entzündet. Dann hatten sie ihre Dosen mit Schinken geöffnet, Marshmallows geröstet, Pfadfinderlieder gesungen und waren bis tief in die Nacht wach geblieben. Tagsüber hatten sie gelernt, wie man im Wald überlebt. Die Sommermonate im Pfadfinderlager waren bei weitem die beste Zeit seiner ganzen Kindheit gewesen.
    Wenn Tatiana sich nicht den Hals gebrochen hatte, als sie vom Zug gesprungen war, hatte sie das verlassene Lager bestimmt gefunden. Wenn sie klug war, hatte sie das fehlende Zelt mitgenommen. Aber was würde sie als Nächstes tun? Würde sie nach Leningrad zurückfahren?
    Alexander glaubte das nicht. Wenn sie so fest entschlossen war, Pascha

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