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Die Liebenden von Leningrad

Die Liebenden von Leningrad

Titel: Die Liebenden von Leningrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paullina Simons
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bombardieren die Frontlinie schon seit zehn Tagen. Sie haben uns gestern bombardiert - ich weiß nicht, wo Sie zu dem Zeitpunkt waren -und vorgestern auch. Wir können jeden Morgen die Uhr danach stellen. Von neun bis elf. Zuerst werfen sie Flugblätter ab, um uns auf ihre Seite zu ziehen, dann bombardieren sie uns. Den Rest des Tages bringen wir damit zu, die Leichen zu begraben und weitere Schützengräben auszuheben. Die deutschen Haupteinheiten nähern sich uns mit einer Geschwindigkeit von fünfzehn Kilometern pro Tag. Sie haben uns unten in Minsk überrollt, in Brest-Litowsk und zuletzt in Nowgorod. Jetzt sind wir hier an der Reihe. Sie haben Recht, wir haben keine Chance. Aber wenn Sie mir erzählen wollen, wir seien schlecht vorbereitet, dann muss ich Ihnen widersprechen. Wir tun, was wir können, und dann sterben wir.« Mit zitternden Händen zündete sich Pjadischew eine Zigarette an und lehnte sich an seinen kleinen Tisch.
    Alexander salutierte. »Auch wir werden weiterhin alles tun, was wir können.«
    Solange es noch hell war, schritt Alexander mit dreien seiner Männer die Frontlinie um das Lager ab. Als er an den Hunderten von Soldaten vorbeiging, die auf die Deutschen warteten, Karten spielten und Zigaretten rauchten, registrierte er überrascht, wie viele der Männer Rangabzeichen trugen. Jeder zehnte von ihnen war Offizier. Viele waren Leutnant, aber es gab auch Hauptmänner und zahlreiche Majore, die bereit waren, dem Feind an der Frondinie entgegenzutreten. An der Frontlinie ... Wer sollte die Truppen befehligen, wenn die Majore tot waren? Alexander wollte lieber nicht darüber nachdenken. Er durchkämmte sorgfältig die Felder und sah jedem, der dort arbeitete, ins Gesicht. Aber Tatiana war nicht dabei. Anschließend ging er zurück zu Pjadischew. »Noch eine Frage, Genosse Oberst. Vor fünf Tagen sind einige Freiwillige aus den Kirow-Werken in Leningrad hierher gekommen. Könnte es sein, dass sie woanders arbeiten als hier? Haben Sie vielleicht einige weiter nach Osten geschickt?«
    »Ich befehlige diese zwölf Kilometer hier am Fluss und über den Rest weiß ich nichts. Diese zwölf Kilometer bilden die letzte Verteidigungslinie bis Leningrad. Danach kommt nichts mehr. Dann bleibt uns nur noch der Rückzug. Oder wir ergeben uns.« »Wir werden uns nicht ergeben, Oberst«, erwiderte Alexander mit fester Stimme. »Bevor wir uns ergeben, sterben wir.« Der Oberst blinzelte. »Fahren Sie zurück nach Leningrad, Leutnant Below. Fahren Sie zurück, solange Sie noch können. Und nehmen Sie Ihre Freiwilligen wieder mit. Retten Sie sie.«
    Als Alexander am nächsten Morgen noch einmal mit Pjadischew sprechen wollte, sah er, dass sein Zelt über Nacht abgebrochen worden war. Die Löcher, in denen die Heringe gesteckt hatten, waren aufgefüllt worden. Immer mehr Soldaten erreichten den Fluss. Die Front war in drei Abschnitte unterteilt, von denen jeder seinen eigenen Befehlshaber hatte. Es war klar, dass so viele Truppen nicht nur unter einem Kommando stehen konnten. Das Zelt des neuen Kommandanten stand fünfzig Meter von Pjadischews alter Lagerstätte entfernt. Der neue Befehlshaber wusste weder, wo Pjadischew sich aufhielt, noch kannte er ihn überhaupt. Es war der dreiundzwanzigste Juli. Um Punkt neun Uhr begann die Bombardierung erneut. Dieses Mal allerdings hielt sie bis zum Mittag an. Die Deutschen versuchten, die Frontsoldaten zu töten, bevor sie mit ihren Bodentruppen angriffen. Alexander vermutete, dass in ein paar Tagen Teil zwei des Blitzkriegs beginnen würde. Entweder fand er Tatiana noch rechtzeitig oder er musste sich in Luga den deutschen Panzern entgegenstellen.
    Schweren Herzens ging er am Fluss entlang und suchte nach ihr. Die Überlebenden hoben Schützengräben aus. Einige hatten Gewehre bekommen. Man hatte ihnen gesagt, dass es ein schweres Verbrechen sei, sich von seiner Waffe zu trennen. »Das Gewehr zu verlieren ist ein Verbrechen gegenüber dem Heimatland!« Aber beim nächsten Luftangriff sah er, dass drei seiner Männer ihre Gewehre fallen ließen, als sie panisch in Deckung gingen. Als der Angriff vorüber war, lächelten sie Alexander verlegen zu. Erschöpft erwiderte er ihr Lächeln und schüttelte den Kopf.
    Ein weiterer Tag verging. Der Druck auf Alexanders Brust verstärkte sich.
    Pascha war nicht aufzufinden, so viel war klar. Aber wo war Tatiana?

    Tatiana sprang vom Zug und rollte mühelos den Abhang hinunter. Das war ein Kinderspiel verglichen mit dem, was sie sich

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