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Die Liebeslist

Die Liebeslist

Titel: Die Liebeslist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ANNE O'BRIEN
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sie sich vor, das Mittagsmahl zu bereiten und ihm dabei die Dokumente vorzulegen, aus denen hervorging, dass sie die rechtmäßige Eigentümerin der Burg war. Dann würde ihm nichts anderes übrig bleiben, als den Rückzug anzutreten. Allein: Wie sie das alles anstellen sollte, war ihr noch schleierhaft. Nach allem, was sie bei diesem kurzen Zusammentreffen über ihn erfahren hatte, würde es nicht leicht werden, ihn wieder loszuwerden.
    Allerdings hatte sie noch etwas anderes gemerkt, und das war gleichermaßen unannehmbar. Sie ertappte sich dabei, wie sie immer wieder mit den Fingern über ihre Handinnenfläche strich. Noch immer brannte ihr dort die Haut, wo sie ihn berührt hatte.
    Noch unter dem Eindruck des kleinen Wortwechsels blieb Lady Petronilla am Fuße der Treppe stehen. Die heftige Auseinandersetzung, deren Zeuge sie gerade geworden war, ließ sie zwangsläufig mit Bangen in die Zukunft schauen. Gewiss, sie hatte nicht jedes Wort mitbekommen, doch der Grundton war überaus eindeutig gewesen. Dass Rosamund laut geworden war und den Ritter despektierlich als Banausen bezeichnet hatte, war Petronilla nicht entgangen. So etwas gehörte sich nicht, schon gar nicht, wenn man erste Bekanntschaft mit jemandem machte. Zuweilen schlug Rose, wie Lady Petronilla ihre Tochter gelegentlich nannte, auf sehr unangenehme Weise nach ihrem Vater. Und nun? Die Männer von Fitz Osbern hatten unzweifelhaft die Oberhand. Sie hielten das Torhaus und die Türme der Hauptburg besetzt, hatten ihre Ausrüstung verstaut und die Pferde im Stall untergestellt. Verstohlen äugte Petronilla hinüber zu dem älteren der beiden Ritter. Der hatte sich die ganze Zeit nicht von der Stelle gerührt, stand auf Kopfhöhe seines Pferdes und verfolgte, die Daumen in den Schwertgurt gehakt, das Geschehen mit unverhohlener Aufmerksamkeit. Nun spürte er wohl, dass er beobachtet wurde, und blickte mit einem etwas verlegenen Grinsen quer über den Burghof zu ihr herüber. Aus einem ihr unerfindlichen Grund fand Petronilla seine stille, selbstbewusste Art, sein wohlwollendes Lächeln und den Glanz in seinen Augen so unerhört, dass ihr die Zornesröte in die Wangen stieg. Sie ahnte, dass sie ihm leidtat, dass er genau begriff, in welch peinliche Lage man sie hier gebracht hatte, und das alles empörte sie dermaßen, dass sie regelrecht aus der Haut fahren mochte. Ohne lange zu überlegen, lief Petronilla aufgebracht auf den Älteren zu.
    „Ich kann mir nicht erklären, was an dieser kleinen Einlage da eben so amüsant gewesen sein soll!“, raunzte sie ihn streng an, das Kinn fast genauso herausfordernd gereckt, wie es ihre Tochter immer tat. Nur war es ihr nicht bewusst. „Ihr solltet Euch schämen!“
    „Wie bitte?“ Das Lächeln war wie weggewischt, der Ritter sichtlich verwirrt. „Was hab ich denn getan?“
    „Nichts! Das ist es ja gerade!“ Verstimmt machte sie auf dem Absatz kehrt und ließ den Verdutzten, der nicht wusste, wie ihm geschah, grübelnd stehen. Allerdings hätte sie selbst nicht sagen können, weshalb sie den alten Kämpen so grundlos zusammengestaucht hatte.
    Rosamund wanderte im Burgsaal – in ihrem Saal wohlgemerkt – auf und ab. Inzwischen war sie ziemlich durcheinander. Als wäre ihre Ankunft auf Clifford tags zuvor nicht schon schlimm genug gewesen! Sie hatte ja nicht geahnt, was auf sie zukam. Hatten die Entscheidungen, die ihr abverlangt worden waren, nicht all ihren Mut erfordert? Und nun so ein Debakel, so eine fatale Wendung des Schicksals! Es schien, als sollte so ziemlich alles misslingen, und zwar vom ersten Augenblick an, kaum dass sie den Fuß in diese kleine Ansiedlung mit ihren knapp zwanzig Fachwerkhäuschen gesetzt hatte. Das Anwesen lag am Ufer des Wye, an einer seichten Furt, die recht leicht zu durchqueren war. Vor Enttäuschung beinahe wie gelähmt, hatte Rosamund nur dagehockt und den Palas angestarrt. Der war noch ziemlich neu, erbaut aus heimischem Stein – ihr Erbe und jetzt ihr selbst gewähltes Domizil, ein graues, wenig einladend wirkendes Gemäuer.
    „Nicht eben verlockend, wie?“ Die Lippen aufeinandergepresst, damit ihr bloß nicht ungewollt ein Laut des Entsetzens entschlüpfte, betrachtete Lady Petronilla vom sicheren Pferderücken den Anblick, der sich ihr bot. Was sie da vor sich sah, verursachte ihr großes Unbehagen.
    „Ach, du lieber Gott!“, entfuhr es Rosamund bei diesem ersten Eindruck. Dieser verlassene Außenposten am Rande der Wildnis, der sollte ihr neues Zuhause

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