Die Liebeslist
erbaut. Es gab einen Graben und einen dazugehörigen Wall. Die strohgedeckten Gebäude des Zwingers bestanden aus lehmverfülltem Fachwerk – Stallungen, Küche, Zeughaus sowie Unterstände für Kühe und Schafe, die gegenwärtig in der Vorburg herumstreiften und den Boden in einen Morast verwandelten. Vorsichtig bahnte sich Rosamund einen Weg durch das Gewimmel. Hätte man das Vieh denn nicht in eingezäunten Pferchen unterbringen können? Auf einem Dachfirst hockten brütende Hühner. In einer Ecke neben dem Haupthaus, leicht auszumachen am eindeutigen Geruch, türmte sich ein Misthaufen. Naserümpfend entfernte sich Rosamund. Wieso wurde der Stallmist ausgerechnet hier abgeladen? In unmittelbarer Nähe der Wohnquartiere?
„Es könnte schlimmer sein“, betonte die Witwe des Earl schluckend, als brauche man es nur oft genug zu wiederholen, dann werde es schon wahr werden. „Wenigstens die Wasserversorgung ist gesichert. Durch den Brunnen.“
„Immerhin etwas.“ Auf einmal lächelte Rosamund ihre Mutter traurig an, schier überwältigt von dem katastrophalen Ausmaß ihrer Lage. Trotzdem kam es nicht infrage abzureisen. „Es ist nicht nötig, so gezwungen fröhlich zu tun. Wir sollten uns nun die Räumlichkeiten ansehen. Ist dir auch aufgefallen, dass unser Hauptmann verschwunden ist? Das lässt bestimmt nichts Gutes erahnen.“
So war es dann auch. Der Anblick und der Gestank verschlugen den beiden Damen die Sprache.
„Meiner Treu!“, brachte Lady Petronilla schließlich hervor.
Der Burgsaal war völlig verwohnt und heruntergekommen, offenbar ständig als Nachtquartier benutzt von Sir Thomas’ Burgwehrmännern, wenngleich dafür viel zu eng bemessen. Dunkel selbst an sonnigsten Tagen, verräuchert, weil der Qualm der Feuerstelle nicht richtig durch die Öffnungen in der dicken Außenwand abzog, entsprach diese Halle einem Kirchenfresko von der Hölle, mit deren Abbild man ehedem die Sünder zum frömmeren Lebenswandel anhielt.
„Die Binsenmatten sind schon seit dem letzten Winter nicht mehr gewechselt worden.“ Schier fassungslos angesichts solcher Verschmutzung, war Rosamund bemüht, die geflochtenen Bodenbeläge beim Eintreten nicht allzu sehr aufzuwirbeln. Vermutlich waren die Matten verseucht von allerlei Ungeziefer. Jeglicher Wohlgeruch war längst verflogen, überlagert vom widerlichen Gestank verdorbener Essensreste und noch mehr vom Geruch der halb verhungerten Köter, die sich beim Kommen der beiden Damen jaulend verdrückten. Vor allem müffelte der ganze Saal nach Körperschweiß und ungewaschenen Menschen.
Das kärgliche, ramponierte Mobiliar bestand aus ein paar Bänken und Schemeln um die Feuerstelle herum, und auch die einsam auf dem Ehrenpodest thronende Tafel hatte schon bessere Tage gesehen. Die Mauern waren feucht und völlig verrußt; keinerlei Behang zierte die Wände. Kostbare Wandteppiche wären in diesem Schweinestall auch wahrlich Perlen vor die Säue gewesen.
„Wie ist es dann wohl um die Wohngemächer bestellt?“, fragte Rosamund, den Fuß schon auf der ins Obergeschoss führenden Treppe. „Wo sollen wir bloß heute Nacht schlafen?“
„Hier jedenfalls nicht!“ Angewidert raffte Lady Petronilla den Rocksaum in die Höhe.
Die Kemenate, ursprünglich gedacht als behagliche Unterkunft für die holde Weiblichkeit des Burghaushalts, enthielt nichts außer Beweisen dafür, dass auch hier Burgwehrmänner genächtigt hatten: Herrenlose Stiefel, Kleidungsstücke, leere Bierkrüge, verdorbene Essensreste lagen überall verstreut herum. Ebenso zweckentfremdet zeigten sich die angrenzenden Privatgemächer des Burgherrn und seiner Gemahlin. Auch diese hochherrschaftlichen Räumlichkeiten hatte vermutlich Sir Thomas für seine Truppe in Beschlag genommen. Anscheinend logierte er sogar selbst darin.
„Heilige Muttergottes!“ Rosamund stakste über einen ganzen Stapel von Utensilien zweifelhafter Herkunft, aufgetürmt direkt neben einem Möbelstück, das eigentlich ein imposantes Himmelbett aus Eiche darstellen sollte. Angewidert prallte sie zurück, denn darauf lagen etliche Schneidbretter mit verschimmelten Speiseresten. Der Gestank, welcher einem schon an der Tür entgegenschlug, war ein Hinweis auf den in die dicke Außenwand eingelassenen Abtritt, durch den man sich einfach in eine darunter liegende Grube entleerte.
Rosamund hatte genug von dem allgegenwärtigen Dreck. „Wahrscheinlich hat hier seit dem Bau des Palas noch nie einer sauber gemacht. Es ist mir
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