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Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1

Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1

Titel: Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elspeth Cooper
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wischte sich damit die Finger ab. »Wir müssen uns an die Arbeit machen, Danilar«, sagte er fest. »Wir können uns jetzt keine Ablenkung leisten. Es steht zu viel auf dem Spiel.«
    »Und wozu ist all Eure sorgfältige Planung gut, wenn Ihr sterbt, bevor sie Früchte trägt? Ich kann Eure Pläne nicht allein ausführen, Ansel. Ihr müsst dabei sein, oder sie werden fehlschlagen.«
    »Ich weiß.« Der Präzeptor suchte auf seiner Hand nach letzten Spuren von Blut. »Uns bleibt noch genug Zeit.«
    »Genug Zeit?«
    »Ich glaube schon.«
    Danilar klang zweifelnd, als er sagte: »Wir dürfen uns jetzt keinen Fehler erlauben. Die Kurie wird unsere Haut als Bucheinband nehmen, wenn wir nicht vorsichtig sind.«
    Das Lächeln, das Ansel ihm schenkte, war eindeutig gefährlich. »Dann müssen wir wohl wirklich sehr vorsichtig sein, nicht wahr?«
    Ansel löschte seine Unterschrift sorgfältig, legte den letzten Brief zuoberst auf den Stapel und schob diesen auf dem Schreibtisch nach vorn, damit sein Sekretär ihn am Morgen abholen konnte. Diese Verwaltungsgeschichten schienen immer mehr Zeit zu beanspruchen: Edikte, Korrespondenz, die Unterzeichnung der gewichtigen Protokolle des Rates und seiner unzähligen Unterkomitees – an manchen Tagen hatte es den Anschein, als werde der Orden nicht mittels des Glaubens, sondern mittels Papier und Tinte beherrscht.
    Ach, der Glaube. Früher war das alles gewesen, was ein Ritter gebraucht hatte – das und einen starken Arm. Ansel setzte sich in seinem Stuhl zurück, zuckte dabei vor Schmerz zusammen und schaute auf den Gobelin an der gegenüberliegenden Wand. Seit mehr als fünfundzwanzig Jahren hing er nun schon da und erinnerte ihn beständig an seine Aufgaben als Präzeptor. Die einst strahlenden Farben waren inzwischen verblasst, trübe geworden vor Alter und Staub, aber die Geschichte, welche die drei Bildabschnitte erzählten, war noch erkennbar. Ganz links wurde der Erste Ritter von der Göttin persönlich gesalbt; er kniete vor ihr und empfing ihren Segen. Ganz rechts stand der stark gealterte Endirion auf einem Berg oberhalb von Dremen. Mit der einen Hand hielt er seinen Diamanthelm gegen die Hüfte gedrückt, und die andere hatte er auf den Griff seines Schwertes gelegt, während er der Errichtung des Mutterhauses im Tal unter ihm zusah. Auf dem mittleren Bild kämpfte Endirion gegen eine schattenhafte Gestalt am Rande eines Abgrunds.
    Die meisten Bilder, die vom Sturz existierten, zeigten Endirion als den Triumphierenden mit schimmerndem Schwert, während er im Lichte der göttlichen Gnade stand und der Engel davonschlich oder in eine Feuergrube stürzte. Dieser Wandbehang jedoch hielt den Höhepunkt des Kampfes fest. Die Dunkelheit umwirbelte den Engel wie Rauch, und Endirion hatte unter den Anstrengungen, die zu seiner Verteidigung notwendig waren, die Zähne zusammengebissen. Dort, wo das Schwert des Ritters auf die ebenholzschwarze Klinge des Engels traf, regneten Funken auf die Erde herab.
    In diesem Augenblick war der Ausgang des Duells ungewiss. Rettung und Verdammnis waren so perfekt ausgewogen, dass schon die kleinste Kleinigkeit das Gleichgewicht hätte stören können. Endirions Miene zeugte von großer Entschlossenheit, aber eine Falte zwischen seinen Brauen sprach von Angst. Die Augen des Engels leuchteten vor schrecklicher, hungriger Gier, und er stürmte voran, doch die Art und Weise, wie er die Knie leicht gebeugt hatte, deutete an, dass er nur einen Schwerthieb davon entfernt war, den ersten Schritt zurück – und damit auf die Niederlange zu – zu machen.
    Wenn Ansel den Gobelin betrachtete, glaubte er an manchen Tagen, Endirion würde bald der Besiegte sein, und dann entfaltete sich die ganze Geschichte vor seinen Augen. An anderen Tagen, wenn die Sonne schien und die Dunkelheit nicht so tief und nicht so nahe war, wusste er, dass der Diamanthelm siegen würde. Heute Abend war die Schlacht so unentschieden, dass er nicht sagen konnte, wer gewinnen würde.
    Ihr werft einen langen Schatten, Herr. Ich bete darum, dass Ihr von meiner Führung des Ordens nicht enttäuscht seid, wenn wir uns dereinst begegnen werden .
    Am nächsten Morgen würde er so viel Mohnsirup schlucken, wie der Narr von Hengfors ihm erlaubte, und sich dann auf den langen Weg von seinem Gemach zur Bibliothek hinter der Ratshalle machen. Er hatte eine Verabredung mit den Archivaren, von der nicht einmal Danilar etwas wusste. Es war schade, dass der Kaplan ihn nicht begleiten konnte; es

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