Die Lilie von Florenz
es so lange dauert wie sonst, solltest du dich beeilen.â
âAch, das ist doch langweilig.â Cristina saà auf dem Bett und schmollte. Sie zog die Bänder ihrer Miederschnürung nur langsam zu. âIch darf ja kein schöneres Kleid tragen als deine Verlobte, da gehe ich am besten gleich in Sack und Asche.â Sie schob die Unterlippe vor.
Matteo lachte. âIch glaube nicht, dass du dir Sorgen machen musst.â
Allegra lächelte still. Sie hatte das Kleid gesehen. Es war erst vor wenigen Tagen aus Paris geliefert worden, wo ihr Vater es bestellt hatte. Ein zartes Kleid mit üppigem Blumenmuster: dunkelrote filigrane Linien waren auf dem cremefarbenen Seidenstoff mit Goldstickerei verstärkt worden. Ihr Vater hatte extra einen Schneider aus Florenz kommen lassen, der letzte Ãnderungen am Kleid vornahm. So war zum Beispiel die Taille zu weit geschneidert und musste enger gemacht werden.
Aber sie war sicher, mit diesem wunderschönen Kleid dem Anlass entsprechend gekleidet zu sein. Vermutlich hatten die Kosten für dieses Kleid die finanziellen Nöte ihres Vaters noch verschlimmert, aber er hatte ihr versichert, dass sie ihm das wert sei.
âNun komm.â Merkwürdig sanft war Matteos Stimme plötzlich. âEs wird Zeit. Du bist nicht die Einzige, die sich für heute Abend noch umziehen muss.â
War das eine Anspielung? Hatte er Allegra erkannt? Oh, wie sollte sie ihm heute Abend in die Augen sehen können, wenn sie gemeinsam tanzten?
Er hielt Cristina die Tür auf und folgte ihr, als sie das Zimmer verlieÃ. Auf dem Gang verhallten ihre Schritte.
Allegra schloss die Augen und zählte still bis hundert. Dann erhob sie sich. Ihre Knie waren weich, und sie musste sich einen Moment am Paravent festhalten. Es war eine wohlige, entspannte Wärme, die ihren Körper erfasst hatte. Sie verlieà das Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
Es war höchste Zeit, sich für das Fest umzukleiden.
2. KAPITEL
âMon Dieu, so kann ich nicht arbeiten!â Signore Rossi schlug die Hände zusammen. âHinaus mit euch, ihr Kichertäubchen, los, los! Ihr habt bestimmt anderes zu tun, als mir im Weg zu stehen!â
âAber wir müssen noch Allegras Haare frisieren!â, widersprach Allegras Zofe Lucia. Das schwarzhaarige pummelige Mädchen mit der kleinen schönen Nase stand mit einer Schmuckschatulle in der Hand abwartend vor Allegra.
Doch Signore Rossi hatte keinen Sinn für derlei schmückendes Beiwerk. âErstmal muss die Signora in ihr Kleid passen, dann könnt ihr meinetwegen für Unordnung sorgen. Jetzt brauche ich meine Ruhe! Husch!â Er wedelte mit den Händen, als wären Lucia und Ana, die Allegra als Zofen aufwarteten, tatsächlich wilde Tauben, die er vertreiben wollte.
Allegra konnte sich vor Lachen kaum halten. Sie bekam Seitenstiche und wäre am liebsten von dem Podest heruntergetreten, auf dem sie nun schon seit einer Stunde ununterbrochen stand. Immer wieder fand Signore Rossi ein Fältchen, das nicht richtig lag oder ein Stäubchen, das er hektisch vom Stoff wedelte. Doch sobald sie auch nur tief durchatmete, echauffierte sich der kleine Schneider mit der spitzen Nase, wie schwer sie ihm doch die Arbeit machte. Zudem hatte er die Angewohnheit, jedes Wort zu verniedlichen, wenn es sich gerade anbot.
âNun, hinaus mit euch!â
Lachend verlieÃen Lucia und Ana das Ankleidezimmer. Gerade wollte Signore Rossi die Tür hinter den beiden Zofen schlieÃen, als sich hochgewachsen und mit schmalen Schultern Allegras Bruder hereinschob.
âEntschuldigtâ, sagte er mit seiner beeindruckend schönen Stimme. âIch würde gerne mit meiner Schwester reden.â
âDass man hier auch nicht die Ruhe hat, die ein Künstler braucht!â Doch Luigi durfte bleiben. In ihm schien Signore Rossi eine verwandte Seele zu sehen â war Luigi doch auch in gewisser Weise ein Künstler.
Luigi war drei Jahre jünger als Allegra. In den letzten Jahren hatten sie sich nicht allzu oft gesehen, denn seit seinem zehnten Geburtstag wurde Luigi im Konservatorium für Kastratensänger in Florenz ausgebildet. Im kommenden Winter sollte er sein Debüt als Opernsänger geben.
Luigis Gesichtszüge ähnelten denen von Allegra. Das sah sie jetzt wieder sehr deutlich, als er sich hinter ihrem Rücken auf ein Sofa setzte. Durch den mannshohen Spiegel, vor dem sie
Weitere Kostenlose Bücher