Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)
wenigen Wochen schon nicht mehr für Patienten begehbar. Jahrzehnte beheimatete er eine Ausbildungsstätte für Hebammen, Entbindungsräume und eine Abteilung für Pränatale Diagnostik. Aber das war Geschichte. Alles sollte abgerissen werden. Dann kam die Seuche, und mit ihr kam die Medizin zurück. Erst hatten die Leiter der Klinik improvisiert und Betten und Personal zur Verfügung gestellt, um die Infizierten zu behandeln. Schnell aber waren die Zimmer überfüllt. Auf den Fluren stöhnten Menschen unter den Plastikplanen, die man über die Betten gespannt hatte. Es war schon bald kein Ort des Behandelns oder gar Heilens mehr, sondern ein Ort des Siechens und qualvollen Sterbens. So achtete inmitten dieses Chaos niemand auf die Hochschwangere, die von Hermel über eine Hintertür hineingebracht worden war. Noch zwanzig Minuten. Er musste sie zum Sprechen bringen.
»Zieht euch die grünen Anzüge an, dann die Gesichtsmasken und die Hauben. So fallen wir nicht auf.«
Für einen Moment musste Jan lachen, als er sah, wie Faruksich angewidert eine benutzte, vom Schweiß eines anderen durchdrungene Haube aufsetzte. Aber sie waren schon am Eingang vom Sicherheitsdienst weggescheucht worden. Und so nahmen sie den Lieferanteneingang, konnten dank Jans Ortskenntnissen aus Universitätszeiten in die Wäscheabteilung gelangen und sich dort an der schmutzigen OP -Kleidung bedienen. Hier unten war es feuchtwarm und roch nach Reinigungsmitteln, Schweiß und Urin. Regina würgte. Und auch Elijah konnte den Gestank kaum ertragen. Jan sah beide missbilligend an, denn sie trugen unter ihren weiten Hemden und dem Kittel jeweils zwei Waffen der Marken Beretta und Glock, die Elijah aus einem Haus nahe der Isar geholt hatte. Sein Dienst, so erklärte er, habe vor geraumer Zeit in jeder größeren Stadt solche Anlaufstellen geschaffen, um die Agenten schnell und ohne Aufhebens mit Waffen versorgen zu können. Jan hatte nur den Kopf geschüttelt. Seinem Verständnis nach waren Waffen und Krankenhäuser zwei Dinge, die sich nicht miteinander vertrugen.
Sie nahmen den Lastenaufzug, der sie in den ersten Stock führte. Niemand, der an den Betten mit den Kranken vorbeihetzte, nahm von der Vierergruppe Notiz. Jan sah sich um. Er sprach eine Schwester in einem Schutzanzug an und fragte nach einer Entbindungsabteilung. Die schüttelte nur den Kopf und lief weiter. So eilten sie über die Gänge, eher ziellos und zunehmend verzweifelt, als Jan ein bekanntes Gesicht erkannte.
»Dirk?«
Sein Gynäkologenkollege vom Klinikum rechts der Isar kam aus einem Zimmer und hatte für einen kurzen Moment seine Maske abgenommen, während er sich an einem Spender mit Desinfektionsmittel einrieb. Der Angesprochene drehte sich um und erkannte Jan. Aber es tauchte keine Freude in seinem Gesicht auf. Elijah schien es, als ob der Arzt sich ertappt fühlte.
»Jan? Was machst du denn hier? Und wo ist mein Porsche?«
Den hatte Jan komplett vergessen. Elijah hatte ihn benutzt, er musste noch in Rottershausen stehen.
»Wir haben ihn in einer Garage in Frankfurt unterstellen lassen. Das ist angesichts der Plünderungen wohl sicherer. Sobalddie Lage sich entspannt, fahre ich nach Frankfurt und hole ihn. Versprochen. Bekomme ich bei dir einen Kaffee?«
Dr. Sandmann sah skeptisch auf die anderen drei, ehe er sie in einen Aufenthaltsraum des Personals lotste. Kurze Zeit später tranken alle aus alten Kaffeetassen mit abgebrochenem Rand.
»Sag einmal, habt Ihr hier nur Infizierte oder auch Schwangere?«
Jan versuchte bei dieser Frage so beiläufig wie möglich zu klingen. Er war sich sicher, dass eine Zwillingsgeburt jemandem wie Sandmann bekannt sein musste. Aber Sandmann, der sich als Letzter Kaffee eingegossen hatte, schüttelte etwas zu schnell den Kopf.
»Nein, hier werden nur Patienten mit dem Pockenvirus eingeliefert. Alles andere wäre zu gefährlich.«
Sie saßen um einen wackeligen Resopaltisch herum. Auf einem zerschlissenen Sofa hinter ihnen schlief ein junger Arzt. Zwei Schwestern standen müde und erschöpft an der Wand, unterhielten sich leise und rauchten. Regina bat sie um eine Zigarette. Sehr widerwillig reichte ihr eine der Schwestern eine Packung. Die Versorgungslage war noch immer mangelhaft, und noch wusste niemand, ob Zigaretten nicht auch weiterhin ein knappes Gut sein würden.
»Aber was sucht ihr hier? Sind das hier Kollegen?« Sandmanns Ton war harsch, fand Jan. Doch ehe er antworten konnte, piepste ein kleines Gerät an Sandmanns
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