Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)
nur Ihren engsten Mitarbeitern anvertrauen.«
Sie lächelte mokant. Er griff in seine Aktentasche und übergab ihr einen USB -Stick. Immer noch lächelnd, nahm sie ihn entgegen.
»Da ist noch etwas: Es scheinen sich ein Israeli vom Mossad, ein Syrer und zwei deutschsprachige Zivilisten für die Hintergründe der Pockenattacke wie auch für eine, nennen wir es weitreichendere, Problematik zu interessieren. Wir sollten auch diese Spur ein wenig deutlicher untersuchen. Nach meinem Dafürhalten ist es für unsere beiden Regierungen nicht hilfreich, wenn sich ausgerechnet der Nahe Osten in unsere Probleme einmischt.«
Sie ließen eine Holzhaussiedlung linker Hand liegen und stapften mit dem stärker werdenden Wind weiter zur Südseite der Düne. Noch immer war die Sonne nicht aufgegangen. Die Kanzlerin dachte daran, dass vor einigen Tagen der kürzeste Tag des Jahres gewesen sein musste. Sie konnte es sich nie merken. War es der 21. oder der 22. Dezember …? Am Anfang des Monats dachte sie noch, dass das schnöde Ende ihrer Amtszeit eine Katastrophe darstellte, jetzt war sie inmitten eines viel größeren Alptraums angelangt. Das Land, für das sie sorgen sollte, glich einem Friedhof. Die Wirtschaft lag darnieder, die Menschen warteten verzweifelt auf Hilfe.
»Madame?«
Sie sah den Franzosen an und nickte zerstreut.
»Ja, diese Gruppe, die ich eben erwähnte, ist auch auf der Suche nach einem Bild.«
»Aha, na und?«
»Es ist ein verschollenes Werk des Künstlers Hieronymus Bosch.«
»Was hat das mit den Pocken zu tun?«
»Vermutlich nichts, eine Frau aus dieser Gruppe, eine österreichische Privatermittlerin, ist von der Familie Köhn beauftragt worden, dieses Bild zu suchen. Kurze Zeit später brachen die Pocken in Ihrem Land aus. Wir glauben, dass es eine Verbindung gibt zwischen Werk und Seuche.«
Zum ersten Mal lächelte die Kanzlerin fast befreit. »Also, mirist die Vorliebe Ihres Präsidenten für die Welt der Kunst und ihrer Musen nicht verborgen geblieben. Aber sollten wir uns nicht auf das Wesentliche konzentrieren? Wo sind Ihre versprochenen Alternativen zu dem Impfstoff?«
Brisecul atmete tief die kalte Luft ein. »Wir haben berechtigte Hoffnung, dass uns dieses Bild zu einem Ort führt, der eben jenen Impfstoff birgt. Einen Impfstoff gegen sehr viele Krankheiten, verstehen Sie? Ein vorantikes Serum. Sie haben kürzlich den Befehl zur Räumung eines Sektendorfs gegeben. Unsere Leute fanden unter den Toten mehrere Menschen mit einem Amulett aus Harz. Wir haben es untersucht. Es enthielt einen Wirkstoff, der in seiner Zusammensetzung sehr alt, aber sehr wirksam ist. Eben ein vorantikes Serum. Wir konnten von einem Sterbenden erfahren, dass uns dieses Bild von Bosch zu dem Ort führen kann. Wer immer diesen Ort findet und die Seren, oder was auch immer dort noch lagert, an sich nimmt, besitzt nicht nur einen unschätzbaren Wert, sondern auch schlicht Macht. Dieser Ort, wo auch immer er sein mag, kann unter Umständen noch mehr bergen als nur alte Antiseren. Wer immer so etwas besaß, ein Volk, eine Kaste, ein Stamm oder Staat, muss eine unglaubliche Macht besessen haben. Es kann nicht im Interesse unserer Länder sein, dass Staaten mit zweifelhaften Regierungen wie Israel und die arabischen Staaten derartige Mittel in die Hände bekommen. Und wenn es wirklich so ist, dass sich auch Privatpersonen wie diese Österreicherin daran bereichern wollen, müssen wir handeln. Aber wir können eben nicht die üblichen Wege gehen, wenn Sie verstehen …«
»Das ist also wirklich Ihr Ernst? Ich habe Sie bisher als seriösen Wissenschaftler kennengelernt und nicht als Hasardeur. Und ich verstehe schon, dass Ihr Präsident mir etwas mitteilen möchte, das er außerhalb der offiziellen, protokollierten Wege wissen will. Aber geht es etwas konkreter?«
Er blieb stehen und kniff die Augen zusammen. »Wer immer diese Pockenviren verbreitet hat, scheint über ein Arsenal solcher Krankheiten zu verfügen. Was, wenn wir bald einen neuen Anschlag mit einer anderen Krankheit erleben? Wir sind überzeugt,dass sich Europa dann nicht mehr erholen würde. Wenn wir wirksame Gegenmittel hätten, könnten wir uns ohne die halsbrecherische Forschung der Privatwirtschaft bestens schützen. Ich habe hier ein Dossier. Sagt Ihnen der Begriff ›Lilith‹ etwas?«
Die Kanzlerin zögerte. Ihr Geheimdienstkoordinator hatte ihr kurz vor Ausbruch der Krankheit noch einen Abschlussbericht zu den Ereignissen im Sommer in Syrien, Israel
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