Die linke Hand Gottes
seiner Adjutanten beiseite und flüsterte ihm ins Ohr.
»Seht zu, dass der schwachsinnige Sohn des Marschalls einen Platz in den hinteren Reihen erhält und dort bis zum Schluss bleibt. Alles, was ich brauche, ist noch, dass er ins Kampfgetümmel gezogen wird und darin umkommt.« Um ganz sicher zu sein, wartete er sogar so lange, bis sein Befehl zu Simons großem Unmut ausgeführt worden war. Koolhaus hatte sich gerade einen Wasservorrat geholt und bekam die Szene nicht mit.
Cale und Vague Henri beobachteten weiter die Aufstellung, aber so sehr sie auch überlegten, was sie an Princeps’ Stelle tun würden, keiner wusste etwas gegen IdrisPukkes Urteil zu sagen.
»Das ist wirklich dein Plan«, sagte Vague Henri mit einem bewundernden Blick auf die Reihen der Soldaten in schimmernden Rüstungen und den farbenfrohen Wimpeln.
»Das ist meine Idee. Was du da unten siehst, ist Narcisses Werk. Sieht gut aus, vielleicht stehen sie sich ein bisschen zu sehr auf den Füßen.« Der Gedanke an die düstere Zukunft der Erlöser erfüllte ihn mit Genugtuung.
Mit gemischten Gefühlen, teils Hass, teils Furcht, beobachteten sie weiter, wie sich die Mönche in Formationen von Schwertkämpfern aufteilten, in die sich zwei Abteilungen Reiterei schoben, sodass drei Blöcke Infanterie entstanden. Rechts und links wurden sie von zwei Blöcken Bogenschützen flankiert.
Der Hass der Jungen auf ihre einstigen Peiniger war noch nicht verraucht, und sie erkannten, wie verheerend die Lage für das Heer der Erlöser war. Diese hatten mittlerweile fast keinen Proviant mehr, sie froren und sie waren durchnässt – jetzt, da die Sonne herauskam, sah man, wie von den sich Bewegung verschaffenden Mönchen Dampfschwaden aufstiegen. Wer von ihnen immer noch an Durchfall litt, musste seine Bedürfnisse auf offenem Feld verrichten. Und das vor einem Gegner, dem es an nichts fehlte und der zahlenmäßig mindestens zehnmal stärker war als sie. Man sah es mit Vergnügen.
Die Materazzi am Fuß der Anhöhe hatten sich, alle in voller Rüstung – wenngleich es bei vielen noch klemmte und kniff -, in zwei große Gruppen von Schwertkämpfern geteilt, die jeweils achttausend Mann umfassten. Neben und hinter diesen Formationen war Kavallerie, ebenfalls in Rüstung, aufgezogen, insgesamt zwölfhundert. Die vorderste Linie der Materazzi stand noch nicht, viele Kämpfer lagerten am Boden, aßen und tranken, lachten und johlten. Auch war viel unerlaubtes Gerangel um einen besseren Platz in der ersten Reihe. Auf offenem Feuer wurden Schafe und sogar ein Pferd geröstet, aus Kesseln stieg Dampf auf. Diejenigen, die keine Ruhe mehr hatten, im Schneidersitz und ohne Beinschienen auf dem Stoppelfeld zu frühstücken, standen auf, schnallten die Rüstung fest, nahmen ihren Platz ein und drängelten sich ein bisschen vor, wenngleich keiner wirklich über die Stränge schlug.
Nach zwei Stunden war immer noch nichts geschehen. Arbell Schwanenhals, blasser als gewöhnlich, trat zu ihnen, gefolgt von dem nun satten IdrisPukke, Kleist sowie Riba. Diese hatte in den vergangenen Monaten ihre überzähligen Pfunde verloren, aber dennoch bildete sie einen auffallenden Kontrast zu ihrer Herrin. Sie war fast einen Kopf kleiner, dunkelhaarig, mit braunen Augen und ausgeprägten weiblichen Formen, während Arbell blond, schlank und geschmeidig war. In ihrer Anmutung waren sie so verschieden wie eine Taube und ein Schwan.
Die unruhige Arbell fragte die Anwesenden, was denn ihrer Meinung nach geschehen werde, und alle waren sich einig, dass die Materazzi gut daran täten abzuwarten, denn früher oder später sei Princeps gezwungen anzugreifen. Unter welchem Winkel Cale auch die Lage betrachtete, die Position der Erlöser schien ihm desolat.
»Hat irgendjemand Simon gesehen?«, fragte Arbell.
»Er wird wohl beim Marschall sein«, sagte IdrisPukke. In letzter Zeit waren er und der Marschall unzertrennlich.
»Fast wie Vater und Sohn«, scherzte Kleist, ohne dass Arbell ihn hören konnte. Immer noch besorgt, wollte sie gerade zwei Diener losschicken, die sich über den Verbleib ihres Bruders erkundigen sollten, als eine Gruppe von fünf Berittenen zu ihnen heraufkam. Einer von ihnen war Conn Materazzi. Seit ihrem Zweikampf war er Cale nicht so nahe gekommen.
»General Narcisse schickt mich, er möchte wissen, ob du wohlauf bist.«
»Ja, danke. Hast du meinen Bruder gesehen?«
»Ja, vor ungefähr einer Stunde. Er war im weißen Zelt zusammen mit dem Eierkopf, der für ihn
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