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Die linke Hand Gottes

Die linke Hand Gottes

Titel: Die linke Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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doch es gibt nicht genug Schlachten für alle. Ihr steckt in einem Dilemma.«
    »Und deine Lösung?«
    »Dazu brauche ich Zeit zum Nachdenken, gnädiger Vater. Möglicherweise gibt es keine Lösung, die nicht zugleich ein neues Problem schafft.«
    Bosco lachte. »Mein Junge, lass dir gesagt sein, dass jede Lösung eines Problems immer auch ein weiteres Problem schafft.«
    Plötzlich und ohne Warnung schlug Bosco zu. Cale wehrte den Schlag so leicht ab, als käme er von einem alten Mann. Sie starrten sich gegenseitig an.
    »Nimm deine Hand runter.«
    Cale tat wie ihm geheißen.
    »Ich werde dich gleich noch einmal schlagen«, sagte Bosco leise, »und dann wirst du weder deine Hände noch deinen Kopf bewegen. Du wirst alles geschehen lassen. Du wirst mit allem einverstanden sein.«
    Cale wartete. Und dieses Mal zeigte Bosco deutlich, wie er zum Schlag ansetzte. Cale zuckte zurück, doch der Schlag traf ihn nicht. Boscos Hand hielt einen Zoll vor Cales Gesicht. »Beweg dich nicht, Junge.« Bosco zog die Hand zurück und setzte erneut zum Schlag an. Abermals zuckte Cale zurück. »Beweg dich nicht!«, schrie ihn Bosco mit hochrotem Gesicht an. Es folgte ein weiterer Schlag, der diesmal traf, denn Cale stand bewegungslos wie ein Fels da. Dann noch einer und noch einer. Der nächste war so hart, dass Cale zu Boden ging. »Steh auf«, sagte Bosco kaum hörbar. Cale erhob sich zitternd wie in Kälteschauern. Ein weiterer Schlag. Er fiel zu Boden, stand wieder auf. Noch ein Schlag, gleiches Spiel. Schließlich wechselte Bosco die Hand. Mit seiner schwächeren Linken brauchte er fünf Schläge, bis Cale wieder zu Boden fiel. Bosco sah auf ihn hinab, als sich Cale mühsam wieder aufraffte. Beide zitterten jetzt. »Bleib, wo du bist.« Bosco flüsterte beinahe. »Wenn du aufstehst, garantiere ich für nichts mehr. Ich gehe jetzt.« Er wirkte fast verwirrt, so sehr hatte ihn die Glut seines Zorns mitgenommen. »Warte hier fünf Minuten, dann verlass das Zimmer.« Er wandte sich zur Tür und trat hinaus.
    Fünf Minuten lang rührte sich Cale nicht. Dann wurde ihm übel. Nach einer Minute hatte er sich wieder gefangen, nach drei weiteren Minuten hatte er das Erbrochene weggewischt. Zitternd und so langsam, als würde er es nie schaffen, ging er zur Tür, trat auf den Gang und schleppte sich, mit den Händen an der Wand Halt suchend, nach draußen auf den Hof, wo er sich erschöpft niedersetzte.

    »OBERKÖRPER GERADE HALTEN! NEIN! NEIN! NEIN!«
    Cale tauchte aus einer Benommenheit auf, die einer Trance glich. Er hatte vom Treiben auf dem Exerzierplatz nichts gehört und gesehen, so sehr war er in Erinnerungen an die Vergangenheit versunken. Das passierte ihm jetzt zu seinem Leidwesen öfter, obwohl man an einem Ort wie der Ordensburg seine Sinne immer geschärft haben sollte. Wer hier nicht aufpasste, erlebte rasch eine böse Überraschung. Um ihn herum wurde munter exerziert. Ein Trupp von zwanzig Rekruten übte einen Angriff im Verband. Der Exerziermeister Pater Gil, der wegen seiner Kraft und ausgesprochenen Hässlichkeit »Gorilla« genannt wurde, klagte wie immer über die mangelnde Schneidigkeit der Rekruten. »Hast du schon die Pforten des Todes gesehen, Gavin?«, fragte er ungehalten. »Du wirst sie sehen, wenn du weiterhin deine linke Flanke so ungedeckt lässt.« Die anderen Rekruten lachten Gavin aus. Seiner Hässlichkeit und Körperkraft zum Trotz war Pater Gil nämlich ein umgänglicher Mann, sofern man das bei einem Kriegermönch überhaupt sagen konnte. Gleiches galt auch für Pater Navratil, der allerdings ein besonderer Fall war. »Nachtexerzieren für dich«, verordnete Gil dem unglücklichen Gavin. Der Junge neben ihm lachte. »Und du, Gregor, kannst ihm Gesellschaft leisten, Und du, Holdaway, ebenfalls.«
    Gleich hinter dem Trupp hielt sich ein Junge von höchstens sieben Jahren mit beiden Händen an einer Stange fest und schwebte gut zwei Meter über dem Boden. Er weinte Tränen des Zorns wegen der Gewichte, die man ihm mit einem Gurt an den Unterschenkeln befestigt hatte. Der Kriegermönch, der neben ihm stand, wiederholte, dass alle Anstrengung nichts gelte, wenn die Füße nicht einen rechten Winkel zum Rumpf bildeten. »Flennen hilft nichts, nur wenn du die richtige Haltung schaffst, können wir dich erlösen.« Der Junge quälte sich weiter, wie von ihm verlangt wurde. Bei der Anstrengung zeichneten sich die Bauchmuskeln, groß und kräftig wie die eines erwachsenen Mannes, überdeutlich ab.
    Cale ging an

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