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Die linke Hand Gottes

Die linke Hand Gottes

Titel: Die linke Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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seiner Gewohnheit gemäß, die Gelegenheit genutzt, über den Frevel der Antagonisten vom Leder zu ziehen. »Sie glauben nicht an das Fegefeuer, in dem man von seinen Sünden geläutert wird, um doch noch in den Himmel zu kommen. Sie sprechen von einer Rechtfertigung allein durch den Glauben.« Einigen Akoluthen blieb vor Erstaunen der Mund offen stehen. »Sie glauben, dass jeder von uns nach dem unergründlichen Ratschluss des Erlösers gerettet oder verdammt ist und dass daran nicht gerüttelt werden kann. Und sie benutzen die Melodien von Trinkliedern und machen daraus Kirchengesänge. Den Gehenkten Erlöser, an den sie glauben, hat es nie gegeben, sie werden sündenbeladen sterben, denn sie verachten die Beichte und so werden sie mit all den Vergehen, die in ihrer Seele brennen, aus dem Leben scheiden und folglich verdammt werden.«
    »Halt dein Maul, Donovan«, sagte Kleist, »und mach dich wieder an die Arbeit.«

    Kaum war der Akoluth abgetreten, winkte Bosco den Exerziermeister Gil zu sich, damit die Zöglinge nicht mithören konnten.
    »Das Gerücht geht um, dass die Antagonisten mit den Söldnern aus Lakonien in Verhandlungen stehen.«
    »Und wie glaubwürdig ist dieses Gerücht?«
    »Ziemlich glaubwürdig, für ein Gerücht.«
    »Dann müssen wir uns Sorgen machen.« Gil kam ein Gedanke. »Die Antagonisten brauchen ungefähr zehntausend Söldner, wenn sie uns schlagen wollen. Wie wollen sie die bezahlen?«
    »Die Antagonisten haben in Laurium Silberminen entdeckt. Und das ist kein Gerücht.«
    »Dann stehe Gott uns bei. Äußerstenfalls können wir dreitausend Mann aufbieten, die es gegen die Mietlinge der Lakonier aufnehmen können. Sie stehen zu Recht in hohem Ansehen.«
    »Gott hilft denen, die sich selbst helfen. Wenn wir es nicht mit Soldaten aufnehmen können, die für Geld und nicht für die Ehre Gottes kämpfen, dann verdienen wir den Untergang. Es ist eine Prüfung, und sie war zu erwarten.« Er lächelte. »Statt Kerker, Feuer und Schwert – nicht wahr, Pater?«
    »Ja, Monsignore, wenn es eine Prüfung ist, dann weiß ich nicht, wie sie bestehen, und wenn ich es nicht weiß – seht mir bitte die Sünde des Hochmutes nach -, gibt es keinen in unserem Orden, der es wüsste.«
    »Seid Ihr da sicher? Über die Sünde des Hochmutes, meine ich.«
    »Was wollt Ihr damit sagen? Mit mir braucht Ihr euch nicht in Andeutungen zu ergehen. Ich verdiene Euer Vertrauen.«
    »Selbstverständlich. Verzeiht meine Anmaßung.« Er schlug sich dreimal an die Brust. »Mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa. Ich erwarte das oder etwas Ähnliches schon seit geraumer Zeit. Ich habe immer geahnt, dass unser Glaube hart auf die Probe gestellt werden wird. Der Erlöser wurde uns gesandt und wir haben dieses göttliche Geschenk damit vergolten, indem wir den Erlöser am Galgen gehenkt haben.« Boscos Blick verklärte sich, so als ob er selbst dabei Zeuge gewesen wäre, obgleich der Erlöser vor tausend Jahren hingerichtet worden war. Er seufzte wie aus tiefem, unmittelbarem Schmerz und sah Gil dann in die Augen. »Ich kann nichts weiter sagen«, fuhr er fort und legte dem Exerziermeister die Hand auf den Arm, »außer dass ich nicht faul war bei der Suche, wie der Ketzerei der Antagonisten ein Ende zu bereiten und wie das schreckliche Verbrechen an dem von Gott gesandten Erlöser zu büßen sei.« Er lächelte Gil an. »Es gibt eine neue Taktik.«
    »Ich verstehe Euch nicht.«
    »Keine militärische Taktik – eine neue Sichtweise. Wir sollten das Problem nicht ausschließlich in den Antagonisten sehen, sondern an eine endgültige Lösung des Problems des Bösen in der Menschheit denken.«
    Er zog Gil näher zu sich und senkte die Stimme. »Wir haben viel zu lange nur an die Ketzerei der Antagonisten – was sie tun und was sie nicht tun – und an unseren Krieg gegen sie gedacht. Wir haben darüber vergessen, dass sie zweitrangig sind für unseren eigentlichen Daseinszweck, nämlich den einen Gott zu verkünden und für den einen wahren Glauben einzutreten. Stattdessen haben wir uns in diesen Krieg verstrickt, so als ob er einen Zweck in sich selbst darstellen würde. Wir haben ihn zu einer Lappalie in einer Welt voller Lappalien gemacht.«
    »Verzeiht mir, Monsignore, aber die Ostfront erstreckt sich über tausend Meilen und die Zahl der Verluste geht in die Hunderttausende – das ist keine Lappalie.«
    »Wir sind nicht wie die Materazzi und die Janes, die um Macht und Reichtum Krieg führen. Und doch sind wir so

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