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Die linke Hand Gottes

Die linke Hand Gottes

Titel: Die linke Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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geworden. Wir haben uns zum Mitspieler im Krieg aller gegen alle machen lassen und wie sie streben wir nach dem Sieg und fürchten die Niederlage.«
    »Es ist durchaus vernünftig, die Niederlage tunlichst zu vermeiden.«
    »Wir sind durch unseren Erlöser die Stellvertreter Gottes auf Erden. Unser Dasein hat nur einen einzigen Zweck, doch wir haben ihn vergessen, weil wir uns fürchten. Das muss sich ändern: Besser in der einen entscheidenden Konfrontation fallen, als immer neue kleine Niederlagen erleiden. Entweder wir glauben, dass wir Gott auf unserer Seite haben, oder wir glauben es nicht. Wenn wir das wirklich glauben und nicht nur vorgeben, es zu tun, dann müssen wir den Endsieg anstreben oder gar nichts.«
    »Wenn Ihr meint, Monsignore.«
    Bosco lachte herzlich.
    »Ja, mein Guter, das meine ich.«

    Cale und Kleist beobachteten den Akoluthen, wie er auf sie zukam. Dieser schien froh, eine Botschaft, über deren unangenehmen Charakter er sich nicht täuschte, überbringen zu dürfen. Er wollte gleich loslegen, als Kleist ihn unterbrach.
    »Was willst du, Salk? Ich bin beschäftigt.«
    Das verdarb Salk das Spielchen, das er sich ausgedacht hatte, um den Kern der Nachricht möglichst lange hinauszuzögern.
    »Hab dich nicht so. Um dich geht es gar nicht. Monsignore Bosco will, dass Cale nach dem Abendgebet zu ihm in seine Privatgemächer kommt.«
    »Schön«, sagte Kleist, als ob das überhaupt nicht ungewöhnlich wäre. »Und jetzt verschwinde wieder.«
    Salk, den Kleists mangelnde Neugier und Cales starrer Blick aus dem Konzept gebracht hatten, spuckte aus und ging fort. Cale und Kleist schauten sich an. Da Cale Boscos Schützling war, waren Aufforderungen zu Unterredungen mit ihm, was jeden anderen Zögling in Angst und Schrecken versetzt hätte, keine Seltenheit. Ungewöhnlich und in Anbetracht der Ereignisse des Vortages beunruhigend war jedoch, dass Cale in die Privatgemächer und zu so später Stunde kommen sollte. Das war bis dahin noch nie geschehen.
    »Und wenn er es schon weiß?«, fragte Kleist.
    »Dann wären wir längst im Haus für Sonderbehandlungen...«
    »Das sähe Bosco ähnlich, uns das glauben zu machen.«
    »Möglich. Aber das können wir jetzt nicht ändern.«
    Cale spannte den Bogen, hielt die Spannung eine Sekunde und ließ los. Der Pfeil verfehlte das Ziel um einen Fußbreit.

    Die drei Gefährten hatten ausgemacht, das Abendessen zu schwänzen. Zwar war es gefährlich, sich nicht dort aufzuhalten, wo man der Vorschrift nach eigentlich sein sollte, aber dass ein Zögling nicht bei den Essenszeiten erschien, kam so gut wie nie vor, denn die Jungen hatten immer Hunger, mochte das Essen auch noch so schlecht sein. Die Mönche sahen deshalb beim Abendessen nicht so genau hin, und das erleichterte es Cale und Kleist, sich hinter der Basilika Nummer vier zu verstecken und auf Vague Henri zu warten, der ihnen ihren Essensanteil aus der Sakristei mitbrachte. Diesmal ließen sie sich mehr Zeit und sie aßen auch nur wenig. Trotzdem war allen nach zehn Minuten wieder übel.
    Eine halbe Stunde später wartete Cale im dunklen Gang vor den Gemächern des Kriegsmeisters. Auch nach einer Stunde stand er immer noch dort. Erst dann öffnete sich die schwere, eisenbeschlagene Tür und die hochgewachsene Gestalt trat heraus. Bosco schaute ihn an.
    »Komm herein.«
    Cale folgte ihm in einen Raum, in dem es fast so düster wie im Gang war. Hätte Cale gehofft, nach all den Jahren nun den Privatmann Bosco zu sehen, dann wäre er enttäuscht gewesen. Zwar gab es Türen, die zu weiteren Räumen führten, doch sie waren geschlossen, und was er zu sehen bekam, war ein kärglich möbliertes Arbeitszimmer. Bosco nahm an seinem Schreibtisch Platz und studierte ein vor ihm liegendes Blatt Papier. Cale wartete stehend auf Weisungen, die vom Abholen von einem Dutzend blauen Leichensäcken bis zum eigenen Todesurteil reichen konnten.
    Ein paar Minuten verstrichen. Dann, ohne aufzuschauen, richtete sich Bosco in fragendem Ton an Cale.
    »Möchtest du mir etwas sagen?«
    »Nein, gnädiger Vater«, erwiderte Cale.
    Bosco hob auch weiterhin nicht die Augen.
    »Wenn du mich anlügst, kann ich nichts für dich tun«, und mit diesen Worten sah er Cale direkt in die Augen. Sein Blick war kalt und finster, so als schaue einem der Tod höchstpersönlich ins Gesicht. »Ich frage dich also noch einmal. Möchtest du mir etwas sagen?«
    Boscos Blick standhaltend, antwortete Cale: »Nein, gnädiger Vater.«
    Der Kriegsmeister

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