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Die linke Hand Gottes

Die linke Hand Gottes

Titel: Die linke Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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halbe Meile.
    Irgendwann brachen sie die Suche ab, wie er gehofft hatte, und schlugen den Weg zur Ordensburg ein. Aber das hieß nicht, dass sie aufgaben. Vielmehr war das nur ein erster Versuch, die Ausreißer möglichst rasch zu fassen. Gewöhnlich hatten sie auch Erfolg, aber wenn sie in den ersten dreißig Stunden die Spur verloren, kehrte der Suchtrupp zurück. Stattdessen machten sich dann nicht weniger als fünf Mannschaften auf, jede vollständig ausgestattet und eigenständig handelnd, um die Suche gegebenenfalls über Jahre fortzusetzen. So lange hatte es bisher jedoch noch nie angedauert, zwei Monate war die längste Zeit, die ein geflohener Zögling der Gefangennahme entgangen war. Die Strafe, die er erhalten hatte, war über alle Maßen grausam gewesen.
    Die nächsten zwölf Stunden folgte Cale den Mönchen in gehörigem Abstand und stets auf der windabgewandten Seite. Nach und nach näherte er sich ihnen, immer darauf bedacht, dass die Hunde seine Witterung nicht aufnahmen. Schließlich war er dem erschöpften Trupp so nahe gekommen, dass er in der Dunkelheit nur noch seine Kapuze über den Kopf zu ziehen und sich mit dem letzten Mann durch das offene Burgtor zu schleichen brauchte. Eine Kontrolle fand nicht statt. Wer, ob Erwachsener oder Kind, wäre so wahnsinnig gewesen, sich in eine Burg des Erlöserordens einzuschleichen?

    Einen Tag lang hatten die drei im Dunkel des Geheimtunnels gewartet, jeder seinen immer wiederkehrenden düsteren Gedanken nachhängend. Als schließlich leise an der Tür geklopft wurde, waren alle hoffnungsfroh, aber auch ängstlich, da es eine Falle hätte sein können.
    »Und wenn es die Mönche sind?«, flüsterte Kleist.
    »Dann kommen sie auf die eine oder andere Weise ja doch herein«, erwiderte Vague Henri. Beide erhoben sich und öffneten langsam die Tür.
    »Gott sei Dank, du bist es«, sagte Vague Henri.
    »Was dachtet ihr denn?«, fragte Cale.
    »Wir dachten, es wären die Mönche.«
    Zum ersten Mal in Cales Leben hatte eine weibliche Stimme direkt zu ihm gesprochen. Sein Gesicht blieb in der Dunkelheit verborgen, sonst hätte man darin hingerissenes Staunen über die sanfte Stimme lesen können.
    »Wenn die Mönche uns holen wollten, würden sie sicherlich nicht anklopfen.«
    »Vielleicht doch«, bot Kleist an, »um uns reinzulegen.«
    Cale machte die Tür hinter sich zu.
    »Wir haben die Nase voll vom Warten«, sagte Kleist. »Erzähl uns, was du die ganze Zeit gemacht hast. Kommen wir hier noch lebend heraus?«
    »Mach erst einmal Licht.«
    Zwei Minuten später sahen sich die vier zusammengekauert im warmen Kerzenschein an.
    »Was riecht hier so merkwürdig?«, wollte Henri wissen.
    Cale legte den Beutel mit dem Lehm auf dem Boden ab. »Die Hunde riechen dich nicht, wenn du dich damit einreibst. Ich erzähle euch gleich alles, aber fangt schon einmal mit dem Einreiben an.«
    Anderswo auf der Welt hätte das Folgende wohl komisch gewirkt. Riba wollte gerade darauf bestehen, dass ihr keiner etwas abschaue, da hatten sich die drei Jungen auch schon aus freien Stücken abgekehrt. In Gegenwart eines anderen nackt zu sein war eine Sünde, die zum Himmel schrie, wie der Zuchtmeister immer gern gesagt hatte. Und es gab so viele Sünden, die nach himmlischer Bestrafung schrien.
    Wie es eingefleischte Gewohnheit war, entkleideten sich die Jungen jeder für sich im Dunkeln. Allein gelassen, konnte Riba bei niemandem protestieren. Also nahm sie ebenfalls einen Klumpen Lehm und trat ins Dunkel.
    »Seid ihr so weit?«, fragte Cales Stimme spöttisch. »Ich möchte loslegen.«

    Bei Tagesanbruch befahl Hundeführer Brunt den fünf neuen Suchtrupps, jeweils hundert Mann mit Hundemeute, vom großen Versammlungsplatz abzumarschieren. Als der letzte Trupp den Platz verließ, hefteten sich vier weitere Gestalten, mit Kapuzen gegen die Morgenkälte geschützt, an das Ende der Marschkolonne und traten mit ihr durch das offene Tor hinaus auf die Landstraße. Auf der öden Hochebene spalteten sich die fünfhundert Kriegermönche in Gruppen auf und marschierten in verschiedene Richtungen los.
    Die vier Gefährten blieben hinter dem Trupp, der den Weg nach Süden einschlug. Eine Stunde lang hielten sie mit ihm Schritt, während der Präzeptor die Litanei von der Zerknirschung sang:
    »Heiliger Erlöser!«
    »STRAFE UNS FÜR UNSERE SÜNDEN!«, lautete die Antwort aus hundertundvier Kehlen.
    »Heiliger Erlöser!«
    »ZÜCHTIGE UNS FÜR UNSERE VERGEHEN!«
    »Heiliger Erlöser!«
    »GEISSLE

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