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Die linke Hand Gottes

Die linke Hand Gottes

Titel: Die linke Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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sie und für uns auch.«
    Die anderen beiden schwiegen. Was Kleist gesagt hatte, war vernünftig.
    »Stimmen wir ab«, schlug Cale vor.
    »Nein, benutzen wir lieber unseren Verstand.«
    »Stimmen wir ab«, beharrte Cale.
    »Wozu denn? Wir haben doch schon entschieden, das Mädchen zu behalten.«
    Gespanntes Schweigen aller drei.
    »Wir müssen noch etwas anderes tun«, sagte Cale.
    »Was denn noch?«, stöhnte Kleist. »Gänsefedern sammeln, damit wir aus dem Fettkloß da eine Matratze machen können?«
    »Nicht so laut«, mahnte ihn Henri. Cale ging auf Kleists Bemerkung gar nicht ein.
    »Wir müssen losen, wer von uns dreien es macht für den Fall, dass die Mönche uns schnappen.«
    Ein unangenehmer Gedanke, aber er war nicht von der Hand zu weisen. Keiner wollte lebendig in die Ordensburg zurückgebracht werden.
    »Ziehen wir Strohhalme«, bot Vague Henri an.
    »Hier gibt es kein Stroh«, sagte Kleist trübe.
    »Dann machen wir es mit Steinen.« Vague Henri suchte eine Weile in der Gegend und kam mit drei Steinen verschiedener Größe zurück. Er zeigte sie den anderen, diese nickten als Zeichen des Einverständnisses. »Wer den kleinsten hat, verliert.«
    Vague Henri verbarg die Steine hinter dem Rücken, dann streckte er die linke Hand, zur Faust geballt, vor. Eine Pause trat ein – Kleist, misstrauisch wie immer, wollte sich nicht entscheiden. Cale zuckte nur die Schultern. Die Augen geschlossen, streckte er die offene Hand aus. Ohne dass Kleist es sehen konnte, ließ Henri den Stein in Cales Hand fallen, der sogleich die Hand darüber schloss. Dann machte er die Augen wieder auf. Nun hielt Vague Henri die übrigen beiden Steine, einen in jeder Faust, zur Auswahl hin. Doch Kleist zögerte immer noch aus Furcht, Opfer eines Tricks zu werden.
    »Mach schon«, drängte ihn Henri ungewöhnlich gereizt. Widerwillig berührte Kleist Henris rechte Hand und schloss die Augen. Nun hatte jeder einen Stein.
    »Ich zähle bis drei. Eins, zwei, drei.«
    Die drei Jungen öffneten die Hände. Cale hatte den kleinsten Stein.
    »Na ja, wenigstens wird es dann richtig gemacht.«
    »Oh, mach dir darüber keine Sorgen, Cale«, sagte Kleist. »Ich hätte keine Hemmungen, dich fachgerecht zu schlachten.«
    Cale warf ihm einen Blick zu, aber die Spur eines Lächelns war noch da.
    »Was macht ihr denn da?« Riba war aufgewacht und beobachtete die Jungen. Kleist wandte sich zu ihr.
    »Wir reden gerade darüber, wen wir als Erstes verspeisen, falls unsere Vorräte ausgehen.« Dabei sah er sie eindringlich an, als ob die Antwort klar wäre.
    »Hör nicht auf ihn«, beruhigte Vague Henri sie. »Wir wollten gerade entscheiden, wer die erste Wache übernimmt.«
    »Wann bin ich dran?«, fragte Riba.
    Alle drei Zöglinge waren überrascht vom herausfordernden, scharfen Unterton in ihrer Stimme.
    »Du brauchst erst einmal Erholung«, sagte Vague Henri.
    »Ich trage meinen Teil bei.«
    »Selbstverständlich. In ein paar Tagen, wenn du dich daran gewöhnt hast. Aber bis dahin solltest du dich ausruhen. Das ist das Beste für uns alle.«
    Dem war schwer zu widersprechen.
    »Möchtest du etwas essen?«, fragte Vague Henri und bot ein Stück getrocknetes Rattenfleisch an. Es sah nicht appetitlich aus, schon gar nicht für ein Mädchen, das mit Kuchen und Geflügelpastete aufgewachsen war. Doch Riba war sehr hungrig.
    »Was ist denn das?«, fragte sie arglos.
    »Äh, Fleisch«, antwortete Vague Henri ausweichend.
    Er lehnte sich vor und hielt es ihr unter die Nase. Es roch tatsächlich, wie eine tote Ratte wohl riechen musste. Unwillkürlich verzog Riba vor Ekel ihr feines Näschen.
    »Bäh, nein.« Aber sie fügte rasch hinzu. »Trotzdem danke.«
    »Die kommt vorerst auch gut ohne das aus«, murmelte Kleist leise, aber doch so, dass Riba es noch hörte. Sie war indes fest überzeugt, eine vollkommene Schönheit zu sein. Ihr ganzes Leben lang hatte man sie darin bestärkt, daher sah sie in Kleists Bemerkung, obwohl ihr der feindselige Unterton nicht entgangen war, keine persönliche Beleidigung.
    »Ich übernehme die erste Wache«, sagte Cale und postierte sich auf der nahen Anhöhe. Die anderen beiden Jungen ließen sich auf dem Boden nieder und waren schon bald eingeschlafen. Riba fand keine Ruhe und begann, leise zu weinen, wovon Kleist und Henri nichts mitbekamen. Nur Cale auf seinem Wachtposten hörte ihr Weinen und ließ es sich zu Herzen gehen. Schließlich schlief auch das Mädchen ein.
    Am nächsten Morgen wachten die Jungen wie üblich um

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