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Die linke Hand Gottes

Die linke Hand Gottes

Titel: Die linke Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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Gelegenheit wieder an seinen Platz zurückzulegen. Dazu brauchte es lediglich Geduld. Dass er erwischt wurde, war unwahrscheinlich. Gefährlich wäre es nur geworden, wenn die Mönche herausbekommen hätten, dass er sich für die Dokumente nicht aus Begeisterung für den Gartenbau interessierte, sondern dass sie Teil eines Fluchtplans waren.
    Nun also drang Cale, noch triefnass vom Bad im See, in den Tagebau vor. Der Abbau des Lehms hatte lange, eher krumme Gräben hinterlassen, da er zu weich war, um gerade, lotrechte Wände zu bilden. Die Gänge konnten zur Falle werden, wenn die Wände zusammenbrachen und einen Menschen unter sich begruben, wie in den Archivdokumenten nachzulesen war. Dass dieses Schicksal zwölf Mönche ereilt hatte, nahm Cale mit Befriedigung zur Kenntnis. Weniger tröstlich war der Gedanke, dass er sich jetzt selbst in diesen Gräben aufhielt, um sich vor den Späheraugen seiner Verfolger und den Nasen ihrer Hunde zu verbergen.
    Er wählte eine Senke am Fuß einer Anhöhe und hob ein nicht zu tiefes Loch aus. Außerdem sammelte er losen Lehmboden aus der unmittelbaren Umgebung, damit seine Verfolger nicht die frischen Grabungsspuren entdeckten. Er nahm in dem Loch Platz und verteilte den losen Lehm um sich herum. So nah an der Oberfläche fühlte er sich ausgesetzt, aber wegen der Einsturzgefahr wagte er es nicht, sich tiefer einzugraben. Wichtig war nur, nicht gesehen und nicht gerochen zu werden. Die Mönche des Suchtrupps hatten ein grenzenloses Vertrauen in ihre Hunde und das war ihre Schwäche – was die Hunde nicht witterten, das existierte auch nicht für ihre Führer. Folglich kam selbst eine oberflächliche Suche für sie nicht infrage, weil sie es für unnötig hielten. Cale entspannte sich und versuchte, da er sowieso nichts anderes tun konnte, ein wenig zu schlafen. Erholung hatte er bitter nötig, und wirklich tief würde er nicht schlafen, denn schon lange beherrschte er die Kunst, zu jeder Zeit rasch wieder aufzuwachen.
    So schlief er ein, schreckte jedoch hoch, als erneut die Rufe der Männer und das Gekläff ihrer Hunde zu hören war. Näher und näher kamen die Geräusche. Ein Hund schnüffelte nur wenige Hand breit neben ihm, doch er hielt nicht an. Warum auch? Der Lehm verbarg alles, er überdeckte jeden Geruch. Bald war auch das letzte Hundegekläff verklungen, und Cale gönnte sich einen Augenblick des Triumphes. Trotzdem musste er noch viele Stunden in diesem Loch ausharren. Er schlief erneut ein.
    Beim Aufwachen spürte er einen Muskelkater nach dem strapaziösen Lauf, und das linke Knie schmerzte wegen einer alten Verletzung. Außerdem fror er. Er befreite den rechten Arm aus dem Lehm und verschaffte sich freie Sicht. Es war noch dunkel, also wartete er. Zwei Stunden später hörte er die ersten Vögel in den hohen Bäumen singen, und kleine Tiere raschelten im Unterholz. Aus den geheimen Taschen seiner Kutte holte er einen Leinenbeutel hervor, den er aus dem Zimmer des Zuchtmeisters mitgenommen hatte, und schaufelte mit der Hand so viel Lehm hinein, wie der Beutel fassen konnte. Dann schulterte er ihn und machte sich auf die Suche nach den Männern mit ihren Hunden.
    Drei Stunden später fand er sie. Bei zwanzig Hundeführern und vierzig Hunden war das nicht schwer. Außerdem hatten die Männer keinen Grund, ihre Spuren zu verwischen. Wohl niemand im Umkreis von zweihundert Meilen würde sich freiwillig einem Kriegermönch nähern, geschweige denn einem ganzen Trupp samt Hunden. Sie veranstalteten eine Menschenjagd, aber andere Menschen suchten niemals ihre Nähe. Gut zehn Minuten lang überlegte Cale, ob er die drei, die in ihrem Versteck in der Ordensburg auf ihn warteten, im Stich lassen und die Flucht nach Memphis allein versuchen sollte, solange er das noch konnte. Kleist war er gar nichts schuldig, Henri auch nur wenig und dem Mädchen hatte er schon einmal das Leben gerettet. Wie der Tintenfisch, der, wenn er sich Feinden gegenübersieht, sich rot und gelb verfärbt, so durchschauerte es Cale bei der Wahl, ob er das Weite suchen oder zurückkehren sollte. Die Gründe, sich nach Memphis abzusetzen, waren einleuchtend, die Gründe zur Rückkehr mehr als vage, und doch war es ein starker unterschwelliger Drang zu letzterer Wahl, der ihn widerwillig und unter vielen Flüchen zu den Kriegermönchen mit ihren Hunden zurücktrieb.
    Obwohl Cale immer noch mit Lehm eingerieben war, blieb er auf der windabgewandten Seite der Hunde und näherte sich nie mehr als eine

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