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Die linke Hand Gottes

Die linke Hand Gottes

Titel: Die linke Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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See in der Mitte der Oase zu und hatte schon gut fünfzehn Schritte Vorsprung, ehe das Tier die Verfolgung erneut aufnahm. Dennoch hätte die Jagd nicht mehr lange gedauert, denn der Hund lief um vieles schneller als der erschöpfte Junge. Doch Cale rettete sich mit einem Sprung, der mit einem weiten Bogen durch die Luft begann und mit einem großer Platscher im Wasser des Sees endete.
    Kläffend blieb der Hund am Ufer stehen. Ein weiterer stieß zu ihm und noch einer und dann die übrigen, die ganze Meute machte vor Wut, Hass und Gier einen Höllenlärm.
    Fünf Minuten später erreichten die Männer auf ihren Ponys mit dem Hundeführer an der Spitze den See, der die ganze Oase mit Wasser versorgte. Obwohl die Hunde nach wie vor kläfften, war nichts zu sehen. Der Hundeführer stand eine Weile am Ufer und starrte aufs Wasser. Auf seinem Gesicht, das auch sonst kein erfreulicher Anblick war, stand finsteres Misstrauen und Enttäuschung geschrieben. Schließlich sprach ihn einer seiner Männer an.
    »Bist du dir sicher, Brunt? Es wäre nicht das erste Mal, dass diese dummen Nasen«, und dabei blickte er auf die Hunde, »der Fährte eines Hirsches oder Wildschweins gefolgt wären.«
    »Still«, sagte Brunt leise. »Die Ausreißer können immer noch in der Nähe sein. Sie sind ja gute Schwimmer. Stellt jetzt Wachen auf und riegelt mit den Hunden die Oase ab. Wenn sie hier sind, kriegen wir sie. Aber Cale darf nichts geschehen!« Tatsächlich hatte Brunt den Männern nichts von Boscos Phantasiegeschichte eines Attentats auf den Heiligen Vater gesagt. Zwar stimmte es, dass die Männer wütend waren, aber auch ohne eine Erklärung würden sie tun, was man ihnen sagte. Dass er, Brunt, als Einziger von der schrecklichen Bedrohung wusste, die sich gegen den Heiligen Vater richtete, vertiefte seine Liebe für Seine Heiligkeit, und diese Liebe sollte nicht durch ein geteiltes Geheimnis verwässert werden.
    Die leichte Andeutung eines Nickens genügte, und schon rührten sich die Männer. In weniger als einer Stunde war die Oase hermetisch abgeriegelt.

    Riba schlief, Kleist war auf Rattenjagd gegangen und Vague Henri, von der ungewöhnlichen Körpergestalt angezogen, betrachtete das Mädchen mit einem ihm unbekannten Verlangen, begleitet von Hunger und Furcht. Er fürchtete sich zu Recht, denn die Mönche jagten Ausreißer so lange, bis sie sie wieder eingefangen hatten. Hatten sie die Ausreißer in ihrer Gewalt, statuierten sie ein Exempel an ihnen, bei dem jedem Zögling das Blut in den Adern gefrieren und die Haare zu Berge stehen sollten. Noch nach tausend Jahren würde man sich an die grausame Strafe und den grässlichen Tod erinnern.
    Obwohl Kleist mit der Rattenjagd beschäftigt war, trieben ihn ähnliche Sorgen um wie Henri. Und noch etwas hatten sie gemeinsam, nämlich das wachsende Misstrauen, Cale könnte schon nach Memphis unterwegs sein und nie wieder zurückkommen. Für Kleist war es fast Gewissheit und selbst der Cale treu verbundene Henri bekam Zweifel. Er hatte immer schon Cales Freund sein wollen, ohne recht zu wissen, warum. Unter dem Freundschaftsverbot der Mönche begegneten sich die Zöglinge sehr vorsichtig, nicht zuletzt wegen der bekannten Tatsache, dass man ihnen Fallen stellte. Die Ordensleitung bildete Jungen mit einnehmendem Wesen und Talent zur Verstellung zu einem besonderen Einsatz aus. Diese Lockvögel genannten Jungen unternahmen alles, um ahnungslose Opfer zu Vertraulichkeiten, gemeinsamen Spielen und anderen Zeichen der Freundschaft anzustiften. Wer ihrem Werben nachgab, erhielt zur Strafe dreißig Schläge mit dem nietenbesetzten Handschuh vor den versammelten Insassen des Schlafsaales. Anschließend wurde er dort mit blutenden Wunden vierundzwanzig Stunden lang liegen gelassen. Aber selbst die Androhung solch harter Konsequenzen hielt manche Zöglinge nicht ab, Freunde und Verbündete im Kampf ums Überleben und im Widerstand gegen den erdrückenden Glauben der Erlösermönche zu werden.
    Was nun aber Cale betraf, so war sich Vague Henri nie sicher, ob es wirklich echte Freundschaft war. Er hatte Cale durch Dreistigkeiten in Gegenwart der Mönche auf sich aufmerksam gemacht und wollte ihn damit beeindrucken. Doch über Monate hatte er das Gefühl, dass Cale gar nicht merkte, was er für ihn tat oder aber Cale berührte das überhaupt nicht. Cale legte stets die gleiche kühle, einsilbige Wachsamkeit an den Tag. Und nie zeigte er Gefühle, ganz gleich wie die Umstände waren. Seine Siege auf

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