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Die linke Hand Gottes

Die linke Hand Gottes

Titel: Die linke Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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nützlich sein.
    »Helft mir«, stöhnte ein abgetrennter Kopf.
    Mit einem Entsetzensschrei wich Vague Henri zurück.
    »Er hat gesprochen, er hat gesprochen!«
    »Wer?«, fragte Kleist unwirsch.
    »Der Kopf. Er hat gesprochen.«
    »Helft mir«, stöhnte der Kopf erneut.
    »Seht doch!«, rief Vague Henri.
    Cale pikste mit dem Messer vorsichtig die Schläfe des Kopfes. Der Kopf stöhnte, öffnete aber nicht die Augen.
    »Sie haben ihn bis zum Hals eingegraben«, sagte Cale nach einiger Überlegung. Die drei Jungen, denen menschliche Grausamkeit vertraut war, erkannten jetzt, dass hier keine übernatürlichen Kräfte im Spiel waren. Sie schauten alle auf den eingegrabenen Mann und überlegten, was zu tun war.
    »Wir sollten ihn ausgraben«, sagte Vague Henri.
    »Nein«, widersprach Kleist. »Diejenigen, die ihm das angetan haben, sind mit Bedacht vorgegangen. Ich glaube nicht, dass sie uns ungeschoren ließen, wenn wir ihre Anstrengungen zunichtemachen. Lassen wir ihn lieber da, wo er ist.«
    »Helft mir«, flüsterte der Mann erneut.
    Vague Henri sah Cale an. »Also?«, fragte er.
    Cale antwortete nicht, er überlegte noch.
    »Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit, Cale«, sagte Kleist. Cale sah in die Ferne.
    »Nein, das haben wir wirklich nicht.« Cale sagte das mit einem beunruhigenden Ton. Die anderen schauten auf und folgten seinem Blick. Auf der nächsten, ungefähr dreihundert Schritte entfernten Anhöhe zeichnete sich eine Reihe von Gestalten ab, die sie beobachteten. Im nächsten Augenblick setzte sich die Reihe in Bewegung.
    Die drei Jungen erbleichten, keiner rührte sich. Eine Fluchtmöglichkeit gab es nicht. Riba bewegte sich als Erste, sie lief vorwärts, um besser sehen zu können, wer da auf sie zukam.
    »Nein, nein, nein«, schrie sie immer wieder.
    Henri, kalkweiß im Gesicht, sah Cale bedeutungsvoll an.
    »Du hast den kleinsten Stein gezogen«, sagte er.
    Cale sah seinen Freund an, seine Augen verrieten keine Gefühle. Einen Augenblick zögerte er, dann zog er sein Messer und ging raschen Schrittes auf Riba zu, die nach wie vor den Gestalten entgegensah. Schon wollte Cale ihr Haar ergreifen und den Hals bloßlegen, da rief Kleist: »Warte!«
    Riba wandte sich um. Cale hatte die Hand mit dem Messer sinken lassen, aber auch so wurde Riba gewahr, dass sich etwas Unheimliches anbahnte.
    »Das sind keine Erlösermönche«, verkündete Kleist. »Ganz gleich, wer sie sind, wir warten am besten ab, was passiert.«
    Unterdessen kamen noch mehr Männer über die Anhöhe, diesmal Berittene. Sie holten die Fußsoldaten ein, ließen sie ebenfalls aufsitzen und in weniger als einer Minute sahen sich die drei Jungen und das Mädchen von über fünfzig grimmig dreinschauenden Soldaten umzingelt. Die Hälfte von ihnen stieg ab und untersuchte die Leichen. Die andere Hälfte hatte die Schwerter gezückt.
    Einer der Berittenen, die die Leichen näher betrachteten, rief plötzlich: »Hauptmann, das ist die Gesandtschaft aus Arnhemland. Das hier ist Lord Pardees Sohn.«
    Der Hauptmann, ein kräftiger Mann auf einem imposanten Pferd, ritt zu der Stelle und stieg ab. Er ging zu Cale und versetzte ihm einen solchen Schlag ins Gesicht, dass der Junge zu Boden geworfen wurde.
    »Ehe wir dich hinrichten, will ich wissen, wer das hier angeordnet hat.«
    Cale war so benommen, dass er nichts erwiderte. Der Hauptmann wollte ihm schon einen aufmunternden Tritt versetzen, da ergriff Vague Henri das Wort.
    »Wir haben nichts damit zu tun, Euer Gnaden. Wir sind zufällig hier vorbeigekommen. Sehen wir etwa so aus, als ob wir so was hier anrichten könnten?« Vague Henri hielt es für das Beste, die Wahrheit zu sagen. »Wir haben nur ein Messer zu viert. Wie hätten wir das machen sollen?«
    Der Hauptmann sah ihn an, dann wanderte sein Blick zurück zu Cale und er versetzte diesem einen heftigen Tritt in den Bauch.
    »Schön. Dann schneiden wir euch den Hals nicht wegen Mordes, sondern wegen Leichenfledderei ab.«
    Er betrachtete die wenigen Kleinigkeiten, die die Marodeure übersehen hatten: einen Beutel, eine flache Schüssel, ein paar Küchenmesser, ein paar getrocknete Früchte und einen Schlagring. Vague Henri begriff, dass es schlecht für sie alle aussah.
    »Einer lebt noch. Wir wollten ihn gerade ausgraben«, sagte Henri und zeigte auf den mittlerweile ohnmächtigen Mann.
    Die Soldaten stürzten herbei und begannen mit bloßen Händen, Sand und Steine wegzuräumen.
    »Das ist Kanzler Vipond!«, rief einer. Der Hauptmann gebot

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