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Die linke Hand Gottes

Die linke Hand Gottes

Titel: Die linke Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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Zweck dieses Harems überhaupt in Akten der Bestialität lag. Ich bezweifle sogar, dass es sich um einen Harem handelte, eher um Geheimkammern. Was ich aus Picarbos – allerdings sehr wirren – Aufzeichnungen entnehmen konnte, war nur, dass er auf der Suche nach etwas ganz Bestimmtem war.«
    »Was wollte er wohl in den Eingeweiden dieser Luder finden?«
    »Das vermag ich bis jetzt noch nicht zu sagen. Gewiss ist eine Säuberung nötig, aber wir sollten mit dem Entzünden der Kerzen Gottes warten, bis ich das ganze heimliche Treiben bis ins Letzte aufgeklärt habe.«
    Solche Kerzen Gottes waren nämlich nicht aus Wachs und wurden nicht an einem Docht entzündet.
    »Nehmt Euch in Acht, Bosco. Ihr glaubt, Euer Scharfsinn sei unfehlbar, aber ich weiß...« Er hob mahnend den Finger und zeigte auf den Kriegsmeister. Mit erhobener Stimme fuhr er fort: »Ich weiß, dass das Wissen die Wurzel alles Bösen ist. Schon das erste Weib Eva wollte den Unterschied von Gut und Böse wissen und hat damit Sünde und Tod über uns alle gebracht.«
    Bosco erhob sich und ging zur Tür.
    »Monsignore Bosco!«
    Bosco schaute den alten Abt an.
    »Wenn Ihr Cale zurückbringt, muss er hingerichtet werden. Dazu werde ich noch heute eine Order ausgeben. Und rührt nicht weiter in dem Schmutz, in dem sich Picarbo gewälzt hat. Merzt alle aus, die mit ihm unter einer Decke gesteckt haben. Und wenn es Unschuldige trifft, so kümmert mich das nicht. Wir müssen Ketzerei mit Stumpf und Stiel ausrotten. Verbrennt sie und der HERR möge die Schafe von den Blöcken trennen. Die Unschuldigen werden im Jenseits dafür belohnt werden.«
    Einem aufmerksamen Beobachter der Szene wäre aufgefallen, dass der Kriegsmeister kurz sinnierte, so als hätte er etwas erwogen und dann eine Entscheidung getroffen. Vielleicht war es aber auch nur das mangelnde Licht im Zimmer. Er trat wieder an das Bett und bückte sich, als wollte er die Kissen um den Abt neu richten. Stattdessen nahm er ein Kissen, platzierte es ohne Zaudern auf das fahle Gesicht und drückte es fest auf den Mund, ohne dass der Abt überhaupt gewahr wurde, was mit ihm geschah.
    Zwei Minuten später verließ Bosco das Schlafzimmer. Im Vorzimmer erhob sich der Sekretär, um nach dem Abt zu schauen.
    »Er ist während unserer Unterredung eingeschlafen. Das ist dem ehrwürdigen Vater noch nie geschehen. Schauen Sie doch einmal nach dem Rechten.«
    Bosco hatte den Abt nicht nur ermordet, er hatte ihn vorher auch angelogen. Weder hatte er ihm das ganze Ausmaß von Picarbos Mädchensammlung enthüllt noch hatte er ihm seinen Verdacht über den wahren Zweck der grauenvollen Experimente des Zuchtmeisters mitgeteilt. Zunächst einmal musste er genau erwägen, was mit den Mädchen geschehen sollte, aber schon jetzt zeichnete sich ab, dass sie ihm einen nützlichen Vorwand für den nächsten Schachzug liefern würden, nämlich die Leitung der Ordensburg zu übernehmen und Cale bei seiner Rückkehr einen eindrucksvollen Anschauungsunterricht zu geben.

    Am dritten Tag hatte Cale die Kriegermönche eingeholt und beobachtete, wie sie nach Westen abbogen und sich damit von Henri und Riba entfernten. Einen Tag darauf wandten sie sich jedoch wieder nach Osten und kamen den beiden gefährlich nahe. Während er ihnen folgte und auf eine neue Wendung hoffte, kam es zu der einzig nennenswerten Begebenheit auf seiner Patrouille.
    Er stieg gerade von einer Anhöhe hinab, die an einer Seite unvermittelt steil abfiel, als er an der Biegung mit einem Mann zusammenstieß, der aus der entgegengesetzten Richtung kam. Cale war so verblüfft, dass er auf dem losen Geröll fast den Tritt verlor. Der Mann aber stand an einer abschüssigeren Stelle, konnte sich nicht mehr halten und fiel auf den Rücken.
    Cale zog das Messer des Zuchtmeisters und baute sich vor dem Mann auf. Der erholte sich schnell von der ersten Überraschung und versuchte aufzustehen. Cale bedeutete ihm mit dem Messer, sich nicht zu bewegen.
    »Aha«, sagte der Mann mit gequälter Freundlichkeit. »Erst rennst du mich um und dann willst du mir auch noch den Hals abschneiden. Nicht sehr nett.«
    »Das sagen alle über mich. Was macht Ihr hier draußen?«
    Der Mann lächelte.
    »Was jeder in den Scablands tut – wieder herauskommen.«
    »Ich frage Euch nicht ein zweites Mal.«
    »Das geht dich, glaube ich, gar nichts an.«
    »Ich habe das Messer, also stelle ich die Fragen.«
    »Das leuchtet ein. Darf ich aufstehen?«
    »Ihr bleibt vorerst, wo Ihr seid.«
    Der

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