Die linke Hand Gottes
ihnen, aufzuhören, kniete nieder und gab dem Bewusstlosen vorsichtig etwas Wasser. Der Mann hustete und spuckte alles wieder aus.
Unterdessen kam ein Soldat mit ein paar Schaufeln herbei und in weniger als fünf Minuten hatten sie den Mann aus dem Sand befreit. Sie legten ihn auf den Boden, horchten ihn ab und untersuchten ihn auf Verletzungen.
»Wir waren schon dabei, ihn zu retten«, sagte Vague Henri. Cale, immer noch im Staub liegend, blickte finster zu dem Hauptmann auf.
»Das behauptest du. Ich sehe lediglich ein Pack Diebe und Leichenfledderer. Grund genug, euch drei einen Kopf kürzer zu machen und das Mädchen zu verkaufen.«
»Begeht keine Dummheit, Hauptmann Bramley«, mischte sich eine Männerstimme aus dem Hintergrund ein. Dass er kein Soldat war, ging schon daraus hervor, dass er keine Uniform trug und außerdem mit einem Strick am Sattel des Pferdes vor ihm befestigt war.
»Halt dein Maul, IdrisPukke«, bellte der Hauptmann.
Aber IdrisPukke war nicht der Mann, der sich den Mund verbieten ließ.
»Zeigt einmal Intelligenz, Hauptmann. Ihr wisst doch, dass Kanzler Vipond und ich schon seit Urzeiten bekannt miteinander sind. Es würde ihm gar nicht gefallen, wenn Ihr drei junge Männer umbringt, die ihm das Leben retten wollten. Oder was meint Ihr?«
Der Hauptmann wirkte zum ersten Mal unsicher. IdrisPukke sprach nun ohne spöttischen Unterton. »Er wird auf jeden Fall die Gelegenheit haben wollen, sich selbst eine Meinung zu bilden.«
Der Hauptmann sah zu, wie der Bewusstlose auf eine Bahre gelegt und sein Kopf auf eine zusammengerollte Decke gebettet wurde.
»Noch ein Wort von dir und ich töte dich auf der Stelle. Hast du mich verstanden?«
IdrisPukke zuckte die Schultern, war aber, wie Vague Henri feststellte, klug genug, kein weiteres Wort zu riskieren.
»Grady! Fog!« Der Hauptmann rief zwei Soldaten herbei. »Lasst das Schandmaul nicht aus den Augen. Und wenn er auch nur den kleinsten Fluchtversuch unternimmt, macht ihr ihn einen Kopf kürzer!«
ZEHNTES KAPITEL
H auptmann Bramley legte den Jungen Fesseln an den Händen an und ließ sie hinter den Pferden gehen und gelegentlich auch laufen. IdrisPukke hingegen band er an seinem Sattel fest, damit er ihm zur Strafe für die scherzhafte Bitte, ihn doch wie das Mädchen in den Armen eines Berittenen mitzuführen, immer wieder einen Tritt versetzen konnte.
Eine halbe Stunde vor Einbruch der Dunkelheit schlugen sie das Lager auf. Riba durfte sich unter den Berittenen frei bewegen, die Bramley vorher gewarnt hatte, das Mädchen auf keinen Fall anzurühren. Die hartgesottenen Haudegen hatten viel gesehen und getan, wovon besser nichts erzählt wurde, doch die Warnung ihres Hauptmanns war überflüssig. Gewiss hätte der eine oder andere das schöne Mädchen gern aufs Kreuz gelegt, aber die Meisten waren bezaubert, wie sie mit ihnen plauderte und scherzte und mit großen Augen den tolldreisten Geschichten lauschte, die jeder Soldat gern erzählt. Sie schaute hin und wieder teilnahmsvoll zu den Jungen hinüber, hatte jedoch die klare Anweisung bekommen, sich von ihnen fernzuhalten, andernfalls würde sie ebenfalls gefesselt werden.
Die Jungen hatten inzwischen IdrisPukke als Gefährten, denn alle vier waren an die Stange eines Fuhrwerks gebunden, das kurz nach ihrer Gefangennahme mit weiteren Berittenen eingetroffen war. Den Jungen hatte man zu essen gegeben, aber nicht IdrisPukke, der anstelle von Pökelfleisch und Fladenbrot nur einen Tritt bekam. Hungrig wie sie waren, langten sie tüchtig zu.
»Wie wäre es denn mit teilen?«
»Warum sollten wir?«, fragte Kleist mit vollem Mund.
»Nun, weil ich für euch eingetreten bin, als der Schurke Bramley euch schon aufschlitzen und eure Gedärme über die Scablands verstreuen wollte.«
Kleist würgte schnell seinen letzten Bissen hinunter.
»Tut mir leid, aber danke für den Nachmittag.«
Die anderen beiden waren großzügiger, wenngleich Cale sein Brot nur anbot, weil er IdrisPukke ausfragen wollte.
Der ließ sich viel Zeit mit Cales Brot und dem kleinen Rest Pökelfleisch, das ihm Henri schenkte.
»Wisst Ihr etwas über das Massaker?«, fragte Cale ihn.
»Ich?«, tat IdrisPukke erstaunt. »Ich wollte euch das Gleiche fragen. Wolltet ihr Vipond wirklich helfen?«
Vague Henri und Cale sahen sich stumm an.
»Wir waren am Überlegen«, sagte Cale schließlich.
»Sehr klug. Immer erst überlegen, ehe man jemandem etwas Gutes tut. Ein feiner Rat. Was euren Freund betrifft«, und damit
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