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Die linke Hand Gottes

Die linke Hand Gottes

Titel: Die linke Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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Fremde hatte Aussehen und Haltung eines Mannes, der schon viel erlebt hatte, aber mitten in der Einöde der Scablands einem so jungen und doch so selbstsicheren Menschen wie Cale zu begegnen, schien ihn zu überraschen.
    »Du musst weit weg von zu Hause sein, Junge.«
    »Sorgt Euch nicht um mich, alter Mann, fragt Euch eher, woher Ihr einen Wanderstab für die Rückreise bekommt.«
    Der Mann lachte.
    »Du bist ein Zögling aus der Ordensburg der Erlösermönche, stimmt’s?«
    »Was geht Euch das an?«
    »Nichts, in der Tat. Aber bei den wenigen Gelegenheiten, wo ich Zöglinge gesehen habe, waren sie in Gruppen von zweihundert und mehr und stets unter der Aufsicht von einem Dutzend Mönchen, die sie mit Peitschen in der Hand bewachten. Einen Einzelnen habe ich bisher noch nie gesehen.«
    »Für alles gibt es ein erstes Mal«, sagte Cale.
    Der Mann lächelte immer noch.
    »Ja, das ist wohl so.« Er streckte ihm freundlich die Hand entgegen. »IdrisPukke, zurzeit im Dienst des Gauleiters Hynkel.«
    Cale ging auf das Angebot nicht ein. IdrisPukke zuckte nur die Schultern und senkte die Hand wieder.
    »Vielleicht bist du gar nicht so jung, wie du aussiehst. Hier draußen muss man auf der Hut sein.«
    »Danke für den Rat.«
    IdrisPukke lachte wieder.
    »Nicht sehr entgegenkommend, Junge.«
    »Nein«, sagte Cale kalt. »Und nennt mich nicht dauernd >Junge<.«
    »Wie du willst. Wie soll ich dich sonst nennen?«
    »Ihr braucht mich bei keinem Namen zu nennen.« Cale wies mit dem Kinn Richtung Westen. »Ihr geht jetzt in die Richtung da. Versucht nicht, mir zu folgen, ich kenne kein Pardon.« Mit einer Handbewegung hieß er ihn aufstehen. IdrisPukke tat wie geheißen. Er betrachtete Cale einen Augenblick, wie um einzuschätzen, was er tun würde. Dann seufzte er, wandte sich ab und schlug die Richtung ein, die Cale ihm angewiesen hatte.
    In den folgenden zwölf Stunden dachte Cale angestrengt über die Begegnung mit IdrisPukke nach. War er ein verkleideter Kriegermönch? Das schien unwahrscheinlich. Für einen Mönch strahlte er zu viel Lebendigkeit aus. Ein Söldner? Auch das war eher unwahrscheinlich. Die Erlösermönche behielten solche inneren Angelegenheiten für sich. Allerdings hatte Cale den Zuchtmeister getötet und damit einen Frevel begangen, für dessen Sühne die Mönche bereit waren, alles zu tun, um Cale wieder einzufangen. Bei dieser Mutmaßung blieb er vorerst, während er die Spur der Erlösermönche wieder aufnahm und im Stillen hoffte, dass sie die Richtung änderten. Einen Tag später war es so weit, sie bogen nach Westen ab. Üblicherweise folgten sie mindestens vierundzwanzig Stunden lang einer Richtung. Nun war es an der Zeit, zu den anderen zurückzukehren – und dazu musste er sie erst einmal finden.
    Nach einem halben Tag war er wieder auf der Linie, die sie für Henri und das Mädchen vorgesehen hatten. Nur war er ihnen zehn Meilen voraus, nur für den Fall. Dann machte er kehrt und ging auf der Linie zurück, immer darauf bedacht, nicht in den Suchtrupp, den Kleist im Auge behalten sollte, hineinzulaufen oder sie in ihn. Wenige Stunden später fand er alle drei inmitten von zirka zwanzig verstümmelten Leichen in einer weiten Senke stehen. Die Gefährten sahen ihn schon auf hundert Schritte und warteten regungslos, während er sich einen Weg durch die Leichen bahnte. Er nickte allen dreien zu.
    »Die Erlöser gehen wieder nach Westen«, sagte er.
    »Als ich meine zum letzten Mal gesehen habe, waren sie Richtung Osten unterwegs.«
    Dann Schweigen.
    »Habt ihr eine Ahnung, wer die hier sind?«, fragte Cale mit Blick auf die Toten.
    »Nein«, erwiderte Vague Henri.
    »Die sind schon einen Tag lang tot, schätze ich«, sagte Kleist.
    Riba sah genauso verstört aus wie zu dem Zeitpunkt, als Cale sie vor Picarbo rettete. Ihr Blick sagte: Das hier ist nicht wahr.
    »Wie lange seid ihr schon hier?«, fragte Cale.
    »Ungefähr zwanzig Minuten. Wir haben Kleist vor ein paar Stunden auf dem Weg hierher getroffen.«
    Cale nickte. »Wir sollten sie durchsuchen. Die Leute, die das Blutbad angerichtet haben, haben sicherlich das Meiste mitgenommen, aber vielleicht gibt es doch noch etwas Verwertbares.«
    Die drei Jungen durchsuchten die Leichen nach Münzen, Gürteln oder noch brauchbaren Kleidungsstücken. Vague Henri fiel etwas auf, das im Sand neben einem einzelnen Kopf schimmerte. Er wischte den Sand beiseite und entdeckte einen Schlagring aus Messing. Kein wertvoller Fund, aber immerhin konnte er

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