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Die linke Hand Gottes

Die linke Hand Gottes

Titel: Die linke Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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die Liebe zu den Frauen. Versteh mich bitte nicht falsch – jede Frau und jeder Mann sollte erfahren haben, was es heißt, zu lieben und geliebt zu werden. Für meine Begriffe ist der Körper einer Frau das schönste Bild der Vollkommenheit. Aber um ganz offen zu sein, Cale – nicht dass es dir gleichgültig sein sollte -, aber wie ein großer Spaßmacher einmal gesagt hat, wen es nach Liebe verlangt, der will an einen Geisteskranken gekettet werden.«
    Dann öffnete er ein weiteres Bier und füllte Cales Becher, wenn auch nie zu oft. Außerdem weigerte er sich, ihm noch mehr Tabak zu geben, denn, wie er gern ausführte, bei guten Dingen solle man nichts übertreiben, und zu viel Tabakrauch würde die Lungen eines jungen Mannes schädigen.
    Manchmal war es schon lange nach Mitternacht, wenn Cale schließlich dem vielleicht größten Vergnügen entgegensah: ein warmes Bett und eine weiche Matratze ganz für sich allein zu haben, kein Schnarchen, Grunzen und Furzen von Hunderten anderer Schläfer, nur friedvolle Stille. Er genoss das unbeschwerte Glück.
    Tagsüber streifte er stundenlang und ohne festes Ziel durch die Wälder. Gleich nach dem Aufstehen brach er auf und kehrte erst bei Einbruch der Dunkelheit zur Jagdhütte zurück. Die Berge, Wiesen und Flüsse, das scheue Rotwild am Morgen und das Gurren der Tauben um die heiße Mittagsstunde, das wunderbare Gefühl, sich frei in der Natur bewegen zu können, das alles bescherte ihm ein noch größeres Vergnügen als Bier und Tabak. Der einzige Wermutstropfen in seinem Glück war die Erinnerung an Arbell Schwanenhals. Ihr Bild überfiel ihn spät nachts oder am Nachmittag, wenn er am Flussufer lag, wo außer dem Gesang der Vögel und dem Säuseln des Windes in den Bäumen nur hin und wieder das Geplätscher eines springenden Fisches zu hören war. Die Gefühle, die ihn bei der Erinnerung an sie beschlichen, störten den Frieden, den die Natur verbreitete. Sie machten ihn zornig, und dabei wollte er doch nie wieder zornig sein, sondern sich frei und ohne jemandem Rechenschaft zu schulden im Sonnenschein und in der grünen Pracht des großen Sommerwaldes aalen.
    Und er entdeckte ein anderes großes Vergnügen: essen. Essen, um zu leben, nach nagendem Hunger sich den Bauch vollschlagen, war das eine; aber für einen Jungen, der sich die meiste Zeit seines Lebens von einem Fraß namens »Eingeschlafene Füße« ernährt hatte, wurde die Aussicht auf gutes Essen zu einer Quelle des Entzückens.
    IdrisPukke war ein Liebhaber der feinen Küche und betrachtete sich, da er zu verschiedenen Zeiten schon in so gut wie allen Orten der zivilisierten Welt gelebt hatte, als ein Kenner. Dabei machte ihm das Kochen fast genauso viel Vergnügen wie das Essen. Leider sorgte der Wunsch, seinem willigen Schüler in dieser Hinsicht etwas beizubringen, auch für Ungemach.
    Der erste Versuch, Cale in die hohe Kunst des Essens einzuweihen, endete furchtbar. Cale war nach zehn Stunden draußen in der Natur wieder in die Jagdhütte zurückgekehrt und hatte einen Bärenhunger, als ihm ein Kaisermahl aufgetischt wurde – IdrisPukkes improvisierte Version des wohl aufwändigsten Gerichts, das er je genossen hatte, eine Spezialität des Hauses des Imur Lantana in der Stadt Apsny. Viele Zutaten mussten ersetzt werden. Ein Schweineschniedel war in den Bergen nicht zu beschaffen, da die Einwohner Schweine für unrein hielten; Safran war zu kostspielig und in dieser wilden Gegend sowieso unbekannt. Und ein Gericht, das manche als den Glanzpunkt des ganzen Menüs ansahen, fehlte ebenfalls, da IdrisPukke sich nicht überwinden konnte, zehn Feldlerchenküken in Branntwein zu ertränken, um sie dann eine halbe Minute lang im Ofen zu braten.
    Als Cale hungrig an den Tisch trat, begrüßte er die vor ihm ausgebreiteten Delikatessen mit lautem Lachen.
    »Beginn am besten damit«, empfahl ihm ein lächelnder IdrisPukke und zeigte auf eine Platte mit Süßwasserkrebsen mit Walderdbeersoße auf geröstetem Weißbrot. Nach fünf Schnittchen wies IdrisPukke mit einer Kopfbewegung auf die gegrillte Ente in Pflaumensoße. Er warnte Cale, nicht zu hastig zu essen, denn zum Abschluss warteten panierte Hühnchenschlegel und gesottene Kartoffelstreifen auf ihn.
    Selbstverständlich wurde es Cale schon nach kurzer Zeit übel. IdrisPukke hatte in seinem Leben schon viele Menschen sich übergeben sehen. Er hatte mit eigenen Augen die schauerliche Sitte der Kventländer gesehen, die bei ihren

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