Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die linke Hand Gottes

Die linke Hand Gottes

Titel: Die linke Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
Vom Netzwerk:
verführerisch rot, Beine glatt wie Seide – wobei die Enthaarung fast schmerzlos, das heißt knapp unter dem Schreianfall erfolgte. Kurz, Riba war ein Schatz.
    Nun stand Mademoiselle Jane vor dem Problem, die anderen, jetzt überflüssigen Kammerdienerinnen loszuwerden, deren älteste die Nichte des Kanzlers schon als Kind bedient hatte. Mademoiselle war zwar in vieler Hinsicht eine kalte Schönheit, besaß jedoch auch eine empfindsame Seite. Daher konnte sie es nicht über sich bringen, der alten Kammerdienerin Briony ins Gesicht zu sagen, dass sie nicht länger gebraucht werde. Sie wusste, wie bestürzt ihre frühere Amme reagieren würde, und sie machte sich Sorgen wegen der vielen Vertraulichkeiten, die sie mit Briony geteilt hatte und die eine gekränkte Seele vielleicht ausplaudern könnte. Mademoiselle Jane ersparte daher Briony den Schock, nach zwölf Dienstjahren von ihrer Herrin persönlich entlassen zu werden. Stattdessen ließ sie die Sachen der Kammerdienerin zusammenpacken, während diese fortgeschickt wurde, eine Tube Rosmarincreme zu besorgen. Bei ihrer Rückkehr fand die Unglückliche ein leeres Zimmer und einen Diener vor, der ihr einen Briefumschlag reichte. Der Umschlag enthielt zwanzig Dollar und ein Billett, in dem ihr für ihre treuen Dienste gedankt und ferner mitgeteilt wurde, sie sei künftig die Kammerdienerin einer entfernten Verwandten in einer entlegenen Provinz. In Anerkennung der oben erwähnten Dienste werde sie auf ihrer langen Reise von einem Diener begleitet, der ihr in allem beistehen und für ihre Sicherheit sorgen werde, bis sie ihr Ziel erreicht habe. Zum Schluss wünschte ihr Mademoiselle Jane viel Glück und alles Gute für die Zukunft. Keine zwanzig Minuten später war die alte Briony schon zu Pferd, begleitet von ihrem Beschützer, auf dem Weg in ein neues Leben. Niemand hörte je wieder etwas von ihr.
    Für den Fall, dass Briony so indiskret gewesen wäre wie ihre Herrin, veranlasste Mademoiselle Jane, dass auch die übrigen Dienerinnen in alle Winde verstreut wurden. Dann freute sie sich auf ein Leben, in dem Pickel, schmale Lippen und widerspenstiges Haar der Vergangenheit angehörten.
    In den folgenden Monaten fühlte sich die junge Aristokratin wie im Himmel. Ribas Können verhalf ihr, deren Aussehen eher durchschnittlich war, zu nie gekannter Anziehungskraft. Immer mehr Verehrer machten ihre Aufwartung, was sie in die Lage versetzte, diese Liebhaber in spe – wie es die Galanterie der Materazzi forderte – mit noch mehr Hohn und Kälte zu behandeln. Sie wusste sehr wohl, dass kein noch so teures und seltenes Zaubermittel das wundervolle Vergnügen verschaffte, im Mittelpunkt der Wünsche und Träume der anderen zu stehen und dabei dieses heiße Bestreben mit einem Lächeln oder einem Blick zunichtezumachen.
    Anfangs sonnte sich Mademoiselle Jane im Glück, das ihr das Wissen verschaffte, mehr Herzen zu brechen als die verhasste Arbell Schwanenhals. Doch bald spürte sie etwas so Seltsames und Unerhörtes, dass sie ein paar Wochen glaubte, sie träume alles nur.
    Einige junge Aristokraten, die zu ihr kamen, schienen von ihrer Kälte und Ablehnung nicht so am Boden zerstört, wie sie es eigentlich erwartet hatte. Zwar stöhnten sie, klagten und baten, ihnen noch eine Chance zu geben, aber da sie ein kluges Mädchen war – wenngleich nur wenn es um sie selbst ging -, argwöhnte sie, dass diese Seelenqualen nicht echt waren. Was bedeutete das? Vielleicht gewöhnte sie sich an die Rolle der Herzensbrecherin und empfand weniger Vergnügen, da Vergnügen, das man sich oft erlaubt, allmählich fad wird. Doch das konnte nicht der Grund sein, denn sie empfand nach wie vor dieselbe tiefe Befriedigung, wenn sie die jungen Männer sah, die unter ihrer Gefühlskälte aufrichtig litten. Irgendetwas ging da im Geheimen vor.
    Mademoiselle Jane reservierte immer den späten Vormittag für ihre Audienzen und gewährte ihren Freiern großzügig bis zu einer halben Stunde, wenn diese formvollendet ihre Schönheit priesen und ihre grausame Hartherzigkeit beklagten. Nun verwendete sie den ganzen Vormittag für die Kandidaten, die sie im Verdacht der Heuchelei hatte, um sich Gewissheit zu verschaffen. Ihre Gemächer waren so angelegt, dass sie ihre Freier beim Kommen und Gehen heimlich beobachten konnte.
    Und schon nach kürzester Zeit war sie furchtbar schlecht gelaunt, weil sich all ihre Befürchtungen bestätigt hatten, und das auch noch in einer schier unglaublichen Weise. Die

Weitere Kostenlose Bücher