Die linke Hand Gottes
Sünde – hinter solchen unernsten Gefühlsäußerungen steckte der Teufel.
Nicht dass IdrisPukke eine frohe Weltsicht verbreitet hätte, ganz im Gegenteil, doch er kleidete seinen Pessimismus mit offenkundigem Vergnügen in eine witzig-zynische Sprache und bezog auch seine Person in den Spott mit ein. Diesen Spott fand Cale ebenso tröstend wie unterhaltsam. Cale hatte nicht die Geduld, Frohnaturen zuzuhören, die eine unbeschwerte Sicht auf das menschliche Leben verbreiteten, ein solches Gemüt vertrug sich nicht mit seiner bisherigen Erfahrung. Aber seine innere Wut nahm ab, er spürte Erleichterung, wenn er einem Mann zuhörte, der über die Dummheit und Grausamkeit der Menschen nur lachte.
»Mit kaum etwas anderem kann man seine Mitmenschen leichter in behagliche Stimmung versetzen«, behauptete er genüsslich, »als mit der Schilderung eines schrecklichen Unglücks, das einen selbst ereilt hat.«
Oder: »Für Menschen wie du und ich ist das Leben eine Reise, bei der wir nie wissen, wohin wir am Ende geraten. Du siehst unterwegs ein neues Ziel, das dir vielversprechender scheint und dann noch eins und so weiter, bis der Ort, den du ursprünglich erreichen wolltest, in Vergessenheit geraten ist. Wir sind wie Alchimisten – auf der Suche nach dem Geheimnis, Gold herzustellen, haben sie hilfreiche Arzneien entdeckt, ein vernünftiges Verfahren, die Elemente der Natur zu ordnen, entwickelt und das Pulver für Feuerwerksraketen erfunden – nur Gold, das haben sie nie erschaffen!«
Cale lachte. »Warum sollte ich mir Eure Sprüche anhören? Bei unserer ersten Begegnung seid Ihr über meine Füße gestolpert und bei den beiden anderen Malen wart Ihr ein Gefangener.«
Ein Ausdruck gelinder Verachtung lief über IdrisPukkes Gesicht, als wäre das ein ihm geläufiger Einwand, der keiner Erwiderung bedurfte.
»Dann lerne aus meinen Fehlern, junger Mann, und berücksichtige die Tatsache, dass ich mich auch nach vierzig Jahren Umgang mit den Mächtigen dieser Welt immer noch des Lebens erfreue, was die meisten Leute meines Schlages nicht von sich behaupten können. Und ich wage die Prognose, dass dir, sofern du nicht deutlich umsichtiger handelst, als du es bisher getan hast, ebenfalls kein langes Leben beschieden sein wird.«
»Bis jetzt habe ich mich sehr gut gehalten.«
»Hast du das wirklich?«
»Ja.«
»Du hast vor allem Glück gehabt, Söhnchen. Und rede nicht von deinen Fäusten. Dass du so weit gekommen bist, ohne am Ende eines Stricks zu baumeln, verdankst du deinem Verstand, aber auch einer großen Portion Glück.« Er verstummte und seufzte. »Vertraust du Vipond?«
»Ich vertraue niemandem.«
»Jeder Schlaumeier kann behaupten, sich nur auf sich selbst zu verlassen. Leider muss man aber hin und wieder auch anderen vertrauen. Menschen können edel und uneigennützig und vieles mehr sein, dergleichen gibt es durchaus, nur kommen diese Tugenden zu den Menschen und gehen auch wieder. Niemand erwartet, dass ein gut gelaunter Mann oder eine liebevolle Frau jeden Tag und jede Minute gut gelaunt oder liebevoll ist, und doch ist man entsetzt, wenn Menschen, auf die man sich einen Monat oder ein Jahr lang verlassen konnte, plötzlich für eine Stunde oder für einen Tag nicht mehr verlässlich sind.«
»Wenn man sich nicht die ganze Zeit auf einen Menschen verlassen kann, dann ist der auch nicht verlässlich.«
»Und du, kann man sich auf dich verlassen?«
»Nein. Ich weiß, IdrisPukke, dass ich edel handeln kann. Ich kann zum Beispiel Unschuldige retten«, und dabei lächelte er ironisch, »aus der Hand der Bösen und Niederträchtigen. Doch das ist keine Charakterfrage, es war ein guter Tag, als ich Riba gerettet habe. Aber so rasch wird das nicht wieder passieren.«
»Bist du dir da so sicher?« »Nein, aber ich tue mein Bestes. Und Ihr, vertraut Ihr Vipond?«
»Kommt drauf an. Worum geht es denn?«
Cale rutschte nervös im Sattel hin und her.
»Er hat versprochen, Henri und Kleist würde nichts geschehen, solange ich bei Euch bleibe und mich nicht danebenbenehme. Er würde sie beschützen. Wird er Wort halten?«
»Na, so besorgt um die Freunde? So herzlos wie du tust, bist du ja gar nicht.«
»Denkt Ihr das wirklich? Dann verlasst Euch nur auf mein Herz – Ihr werdet sehen, wie weit Ihr damit kommt.«
IdrisPukke lachte. »Bei Vipond gilt es zu bedenken, dass er einer der Großen ist, die große Verantwortung tragen, und dazu gehört es bisweilen, Versprechen nicht zu halten.«
»Jetzt wollt
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