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Die linke Hand Gottes

Die linke Hand Gottes

Titel: Die linke Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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seine Unterschrift. Versetzt Euch bitte in meine Lage. Ich werde nach meinem Vorgesetzten, Leutnant Webster, schicken.«
    »Wie lange wird das dauern?«, fragte IdrisPukke aufgebracht.
    »Bis morgen, vielleicht.«
    IdrisPukke rang die Hände, dann trat er ans Fenster. Nach einer Minute winkte er Cale zu sich. »Warte draußen«, flüsterte er ihm zu.
    »Ach, gibt es jetzt nichts mehr zu lernen?«
    »Keine Widerworte, tu einmal, was ich dir sage. Geh hinter das Haus und lass dich nicht blicken.«
    Lächelnd tat Cale wie geheißen. Hinter dem Wachhaus saßen vier Soldaten und rauchten gelangweilt. Fünf Minuten später kam IdrisPukke nach draußen und gab Cale mit einer Kopfbewegung zu verstehen, mit ihm die Pferde von der Hauptstraße hinunter auf einen Seitenpfad zu führen.
    »Was wird denn nun geschehen?«, fragte Cale.
    »Er wird unsere Beschatter verhaften und sie ein paar Tage hier einsperren.«
    »Warum hat er sich anders besonnen?«
    »Was glaubst du wohl?«
    »Ich weiß es nicht, deshalb frage ich ja Euch.«
    »Ich habe ihn bestochen. Fünfzehn Dollar für ihn und fünf für jeden seiner Männer.«
    Cale war entsetzt. Die Erlösermönche mochten grausam, boshaft und borniert sein, aber niemals wäre ihnen der Gedanke gekommen, für Geld ihre Pflicht zu vergessen.
    »Wir hatten doch eine Vollmacht!«, empörte er sich. »Warum mussten wir sie dann noch bestechen?«
    »Nun verlier darüber nicht gleich die Fassung«, sagte IdrisPukke pikiert. »Betrachte es einfach als Teil deiner Erziehung – eine neue Tatsache, mit der man zu rechnen hat, wenn man wissen will, wie die Menschen wirklich sind. Bilde dir nur nicht ein, schon alles über die Verderbtheit der Menschen zu wissen, bloß weil dich die Erlösermönche wie einen Hund behandelt haben.«
    Nach diesem Anfall übler Laune ging er weiter und sprach den Rest des Tages kein Wort mehr.
    War es so schwer zu verstehen, warum IdrisPukke verärgert reagierte? Gewiss, er war Schlimmeres gewohnt, als von einem arroganten Kerl wie diesem Korporal erpresst zu werden. Aber wie viele von uns geraten schon wegen weit Geringerem außer sich. Meist genügt es, dass wir einen Schlüssel verlieren, auf unebenem Pflaster ausrutschen oder Widerspruch in einer nichtigen Angelegenheit ernten, und schon geraten auch vernünftige Leute in Rage, wenn sie dazu in Stimmung sind. Mehr war nicht daran. So beschränkt Cales Verständnis der menschlichen Natur noch war, sofern es sich nicht um grausame Fanatiker handelte, er hatte doch so viel Taktgefühl, IdrisPukke in Ruhe zu lassen, bis der sich wieder beruhigt hatte.
    Indes, hätte IdrisPukke geahnt, wer der Auftraggeber der Beschatter war, dann wäre er ganz zu Recht aufgebracht gewesen und hätte sogar Grund zur Furcht gehabt, denn dann hätte er gewusst, dass er es mit Kitty dem Hasen zu tun hatte, und dessen Spione ließen sich nicht so leicht abschütteln. Die beiden Männer, die IdrisPukke entdeckt hatte und die in der nächsten Stunde hinter Gitterstäben saßen, waren nur Köder, die man ausgeschickt hatte, um gefangen genommen zu werden. Nachdem Cale und IdrisPukke von ihrem Seitenpfad auf die Hauptstraße zurückgekehrt waren und nach einem Tag in Richtung Weißer Wald abbogen, folgten ihnen zwei weitere Augenpaare, und der Verstand, der dahintersaß, war sehr viel listiger.
    Als sie am folgenden Morgen in die Berge zogen, schien die Sonne strahlend vom Himmel und die Luft war klar wie Quellwasser. IdrisPukkes schlechte Laune vom Vortag war verflogen, und er zeigte sich jetzt wieder gesprächig. Er erzählte Cale aus seinem bewegten Leben und machte ihn mit seinen Ansichten, von denen er eine ganze Menge besaß, ausgiebig bekannt. Man hätte glauben können, Cale, der zu heftigem Zorn fähig war und dem Gewaltausbrüche nicht fremd waren, fühlte sich von der angemaßten Rolle IdrisPukkes als Mentor provoziert. Aber Cale war, ungeachtet seiner eisernen Kämpfertugenden, noch ein Jugendlicher, und IdrisPukkes großer und vielfältiger Erfahrungsschatz, die Höhen und Tiefen seines Lebens, seine Liebschaften und seine Gegner hätten auch einen blasierten Zeitgenossen gefesselt. Sein besonderer Charme lag in der Art und Weise, wie er sich selbst verspottete und die Verantwortung für die meisten Karrierestürze selbst übernahm. Für Cale war ein Erwachsener, der über sich selbst lachte, mehr als ungewöhnlich, dergleichen war für ihn unfassbar. Lachen an sich hielten die Erlösermönche schon für eine Versuchung zur

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