Die linke Hand Gottes
sie einholen.«
EINUNDZWANZIGSTES KAPITEL
A m nächsten Morgen wollte IdrisPukke erst aufbrechen, wenn es hell genug sein würde. Cale wäre das Risiko, auch im Dunkeln zu reiten, eingegangen, aber IdrisPukke ließ sich nicht umstimmen.
»Wenn nur eines unserer Pferde im Dunkeln einen Fehltritt macht und deshalb dann lahmt, stecken wir fest.«
Cale sah ein, dass IdrisPukke Recht hatte, brannte jedoch darauf, endlich loszureiten, und fügte sich nur zähneknirschend. IdrisPukke beachtete ihn nicht weiter, bis sie aufbrachen.
In den nächsten zwei Tagen machten sie nur Rast, um die Pferde zu schonen und etwas zu essen. Cale trieb ständig zur Eile, IdrisPukke meinte dagegen, dass die Pferde und er einen Gewaltritt nicht durchhielten, selbst wenn Cale es könnte. Selbstverständlich musste ihnen daran gelegen sein, die Erlösermönche einzuholen, wenn dies überhaupt möglich war.
Sie brauchten aber mindestens ein Pferd in gutem Zustand, um rasch zu den Materazzi zurückzureiten und ihnen Auskunft über Zahl und Marschroute der Erlösermönche zu gehen.
»Ihr scheint Euch ja um das Mädchen gar keine Sorgen zu machen«, sagte Cale.
»Gerade weil ich mir Sorgen mache, bestehe ich darauf, dass wir keinen Gewaltritt unternehmen. Übrigens, was bedeutet dir Arbell Schwanenhals?«
»Gar nichts. Aber wenn ich helfe, die Erlöser unschädlich zu machen, wird der Marschall allen Grund haben, sich mir gegenüber großzügiger zu zeigen, als er es bisher getan hat. Außerdem habe ich Freunde in Memphis, die dort als Geiseln gehalten werden.«
»Jetzt hast du auf einmal Freunde – ich dachte, euch hätte nur der Zufall zusammengebracht.«
»Ich habe ihnen das Leben gerettet. Das war doch, glaube ich, ziemlich freundlich.«
»Oh«, sagte IdrisPukke, »ich dachte, du wärst nur ein Held wider Willen.«
»Das war ich auch.«
»Ja, was bist du also, Cale, edel aus Berufung oder edel, weil es sich so ergeben hat?«
»Ich bin überhaupt nicht edel.«
»Das sagst du so. Aber ich frage mich, ob ich da nicht das Debüt eines Helden erlebe.«
»Was bedeutet >Debüt«
»Der Beginn von etwas Großem.«
Cale lachte, aber nicht vergnügt. »Wenn Ihr das wirklich denkt, dann hoffen wir mal, dass Ihr es nicht ausbaden müsst.«
Darauf sagte IdrisPukke lieber nichts mehr.
Am zweiten Tag wechselten sie auf die Landstraße, die zum Cortinapass führte, auch wenn von einer Straße kaum mehr die Rede sein konnte.
»Der Weg wird seit sechzig Jahren nicht mehr benutzt, seit die Erlöser die Grenzen geschlossen haben.«
»Wie weit ist es vom Pass bis zur Ordensburg?«, fragte Cale.
»Das weißt du nicht?«
»Die Mönche lassen keine Landkarten herumliegen, nichts, was Zöglingen mit Fluchtgedanken nützlich sein könnte. Bis vor ein paar Monaten dachte ich noch, Memphis liege tausende Meilen von hier entfernt.«
Hätte sich IdrisPukke nicht gerade in diesem Augenblick von einer dunkelrot und golden glänzenden Libelle ablenken lassen, dann hätte er bemerkt, wie Cale die Lüge ins Gesicht geschrieben stand. Cale glaubte schon, sich verraten zu haben, deshalb fügte er hastig hinzu: »Ich meine, ehe ich hierherkam und erkannte, dass alles ganz anders ist.«
Erst jetzt fiel IdrisPukke der verlegene Tonfall auf.
»Stimmt etwas nicht?«
»Nein, nein.«
»Wie du meinst.«
Beschämt, weil er etwas ausgeplaudert hatte, was er um jeden Preis für sich behalten wollte, hüllte sich Cale für die nächsten zehn Minuten in Schweigen. Als IdrisPukke das Gespräch wieder aufnahm, schien er die ganze Sache vergessen zu haben – und das entsprach den Tatsachen.
»Vom Pass sind es gut zweihundert Meilen bis zur Ordensburg, aber so weit brauchen sie gar nicht zu gehen. Zwanzig Meilen von der Grenze entfernt befindet sich eine Garnison namens Märtyrerstadt.«
»Davon habe ich noch nie gehört.« »Die Garnison ist auch nicht sehr groß, aber sie ist stark befestigt. Man brauchte eine ganze Armee, um sie zu erobern.«
»Also?«
»Nichts. Materazzi liebt das Mädchen abgöttisch. Er wird ihnen alles geben, was sie fordern.«
»Woher wisst Ihr denn, dass sie überhaupt etwas fordern?«
»Andernfalls ergäbe es doch keinen Sinn.«
»Was für Euch Sinn ergibt und was die Erlöser für sinnvoll halten, sind zwei Paar Stiefel.«
»Dann hast du also eine Ahnung, was sie vorhaben?«
»Nein.«
»Und mit dir hat das gar nichts zu tun?«
Cale lachte. »Die Erlöser sind Schweinehunde, aber glaubt Ihr wirklich, dass sie einen Krieg mit
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