Die linke Hand Gottes
gesucht, jedoch nichts gefunden. IdrisPukke tastete die Leiche ab und fand drei Messer, zwei Schlingen, eine Daumenschraube, einen Schlagring und, versteckt in der Mundhöhle, eine in Seide gehüllte, biegsame, ein Zoll lange Klinge.
»Was sie auch vorhatte«, sagte IdrisPukke, »jedenfalls wollte sie dir keine Wäscheklammern verkaufen.«
»Glaubt Ihr dem Mann?«
»Deinem Retter. Klingt plausibel. Ob ich ihm wirklich glaube, ist eine andere Frage. Aber eines steht fest, wenn er dich hätte töten wollen, hätte er dazu im letzten Monat genügend Gelegenheiten gehabt. Und doch, irgendetwas ist daran faul.«
»Glaubt Ihr wirklich, dass er von Vipond geschickt worden ist?«
»Möglich. Mit einem wie dir hat man immer Scherereien, nichts für ungut.«
Dass Cale sich von IdrisPukkes Bemerkung nicht gekränkt fühlte, lag daran, dass er gerade dasselbe gedacht hatte.
»Was geschieht mit der Frau?«, fragte er schließlich.
»Die versenken wir im Fluss.«
Und das taten sie dann auch, und damit endet die Geschichte der Jennifer Plunkett.
Am Abend setzten sich die beiden zum Essen vorsichtshalber in die Jagdhütte. Dort sprachen sie über die seltsamen Ereignisse des Tages.
»Was können wir tun?«, fragte IdrisPukke. »Wenn der Mann, der die junge Frau aus dem Weg geräumt hat, das Gleiche auch mit dir machen wollte, hätte er es schon längst getan. Oder er könnte es morgen tun.«
»Und was ist Eurer Meinung nach faul an der Sache?«
»Es ist durchaus möglich, dass Vipond uns einen Leibwächter nachgeschickt hat, auch wenn es aus seinem Interesse geschehen ist. Es ist aber ebenso möglich, dass die Materazzi-Elite, die du öffentlich so gedemütigt hast, jemand gedungen hat, um dich unter die Erde zu bringen. Alles spricht dafür, dass die Frau dich angreifen wollte, sie hatte ein Messer in der Hand. Der Mann hinderte sie daran und verschwand. Das sind die Tatsachen. Aber es sind offenbar nicht alle Tatsachen, es könnte daher sein, dass im Zuge weiterer Enthüllungen diese Tatsachen in einem ganz anderen Licht erscheinen. Doch bis dahin bleibt das Spekulation. Ob wir weggehen oder hierbleiben, wir sind einem Mann oder einer Frau mit einem guten Auge ausgeliefert, die von Mordlust oder einer Kopfgeldprämie angespornt werden. Wir nehmen diese Tatsachen als gegeben hin, weil sie sich aufdrängen. Gibt es eine andere Möglichkeit?«
»Nein.«
»Na also.«
Am folgenden Morgen wachte Cale früh auf und trat mit großem Unbehagen nach draußen. Zwar verstand er IdrisPukkes Fatalismus, aber letztlich stand ja nicht IdrisPukkes Schicksal auf dem Spiel. Wie der alte Fahrensmann selbst immer sagte, ein Philosoph kann Zahnschmerzen ertragen, aber nicht für den, der damit geplagt wird. Er war so in Gedanken vertieft, dass er die Taube gar nicht beachtete, die auf dem Terrassentisch auf und ab ging und alte Brotkrümel aufpickte.
»Beweg dich nicht«, sagte IdrisPukke leise hinter ihm und hielt der Taube lockend ein Stück Brot hin. Er fütterte sie mit einer Hand, umschloss sie vorsichtig mit der anderen und hielt sie fest. Dann drehte er sie um und nahm ihr eine kleine Metallkapsel ab, die mit einem Riemen an einem Bein befestigt war. Cale sah ihm dabei ganz gedankenverloren zu.
»Das ist eine Brieftaube«, sagte IdrisPukke. »Sie kommt von Vipond. Hier, halt sie mal.« Er reichte Cale den Vogel, öffnete die Kapsel und entnahm ihr ein Blatt Reispapier. Während er las, verfinsterte sich seine Miene.
»Eine Schar Erlösermönche hat Arbell Schwanenhals entführt.«
Cale wurde rot vor Erstaunen und Verwirrung. »Wie das?«
»Darüber steht hier nichts. Es heißt lediglich, dass sie sich am See von Constanz aufhielt, das ist etwa fünfzig Meilen von hier. Der kürzeste Weg zurück in die Ordensburg führt über den Cortinapass – zwanzig Meilen nördlich von hier. Wenn sie den Weg genommen haben, müssen wir sie finden und die Truppen, die Vipond uns als Hilfe nachschickt, so rasch wie möglich benachrichtigen.« Er sah besorgt und ratlos aus. »Das ist eine Kriegserklärung. Warum tun die Erlösermönche das?«
»Ich weiß es nicht. Aber dafür gibt es einen Grund. Das kann nicht ohne Boscos Einwilligung geschehen sein. Und Bosco weiß immer, was er tut.«
»Der Mond scheint heute Nacht nicht, also können sie in der Dunkelheit nicht reisen und wir auch nicht. Wir packen jetzt unsere Sachen, gönnen uns den Schlaf und brechen im Morgengrauen auf.« Er seufzte. »Allerdings besteht wenig Aussicht, dass wir
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