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Die linkshändige Frau - Erzählung

Die linkshändige Frau - Erzählung

Titel: Die linkshändige Frau - Erzählung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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aufgehört habe, die Tage zu zählen, die ich nun ohne dich bin.« Er lachte: »Ich hatte einen Traum, wo alle nacheinander verrückt wurden. Hatte es wieder einen getroffen, so fing er sich aber offensichtlich seines Lebens zu freuen an, so daß wir Übriggebliebenen kein schlechtes Gewissen haben mußten. – Fragt Stefan nach mir?«
    Die Frau sagte, indem sie ihm hinten den Preiszettel vom Pullover nahm: »Komm doch bald.« Sie ging, und er entfernte sich in eine andere Richtung.
    Sie las im Café eine Tageszeitung und murmelte dabei in sich hinein. Der Schauspieler kam dazu und blieb vor ihr stehen: »Ich habe Ihr Auto wiedererkannt, draußen auf dem Parkplatz.«
    Sie betrachtete ihn ohne Überraschung und sagte: »Ich lese gerade, seit langem wieder, eine Zeitung. Ich wußte gar nicht mehr, was in der Welt vor sich geht. Welchen Monat haben wir denn?«
    Der Schauspieler setzte sich zu ihr: »Februar.«
    »Und in welchem Erdteil leben wir?«
    »In einem unter andern.«
    Die Frau: »Haben Sie einen Namen?« Der Schauspieler sagte ihn; er schaute zur Seite und lachte, schob die Gläser auf dem Tisch hin und her. Endlich blickte er sie wieder an und sagte: »Ich bin noch nie einer Frau nachgegangen. Ich suche Sie seit Tagen. Ihr Gesicht ist so sanft – als wären Sie sich immer bewußt, daß man sterben muß! Entschuldigen Sie, wenn ich etwas Dummes sage.« Er schüttelte den Kopf. »Ach, immer will ich gleich alles zurücknehmen! In den letzten Tagen konnte ich nicht ruhig bleiben vor Sehnsucht nach Ihnen. Seien Sie mir bitte nicht böse. Sie kommen mir so frei vor, haben so eine« – er lachte – »Lebenslinie im Gesicht! Ich brenne nach Ihnen, alles in mir glüht nach Ihnen. Vielleicht denken Sie, ich sei überspannt, weil ich zu lange ohne Arbeit bin? Aber sagen Sie nichts. Sie müssen mit mir gehen. Lassen Sie mich nicht allein. Ich möchte Sie haben. Was für verlorene Existenzen wir doch bis jetzt gewesen sind, nicht wahr? An einer Straßenbahnhaltestelle las ich: ER liebt dich, er wird dich erlösen, und ichdachte sofort an Sie: Nein, nicht ER, WIR werden einander erlösen. Ich möchte von allen Seiten um Sie herum sein, Sie überall fühlen, mit der Hand schon die Hitze von Ihnen aufsteigen spüren, noch ehe ich Sie berühre! Lachen Sie mich nicht aus. Oh, wie ich Sie begehre. Mit Ihnen zusammen sein, gleich jetzt, ganz stark, für immer!«
    Sie saßen einander bewegungslos gegenüber; er sah fast böse aus; dann rannte er aus dem Lokal. Die Frau saß unter den andern Leuten, ohne Bewegung.
    Ein hellerleuchteter Linienbus fuhr in der Nacht, nur ein paar alte Frauen drin, im Kreisverkehr langsam um einen großen Platz herum und verschwand in der Dunkelheit; die leeren Haltegriffe schwankten.
    Die Frau und das Kind saßen am Abend im Wohnraum und spielten mit Würfelbechern. Draußen war Sturm; er rüttelte an den Türen. Manchmal hielten beide im Spiel inne, nur um zu horchen, wie der Sturm sauste.
    Das Telefon läutete, lange. Endlich ging das Kind hin und sagte dann: »Ich mag jetzt nicht reden.« Zur Frau: »Bruno möchte kommen, mit der Lehrerin.« Die Frau machte eine Geste des Einverständnisses, und das Kind sprach ins Telefon: »Ja, ich werde noch wach sein.«
    Dann, während sie weiterspielten, klingelte es, jetzt an der Tür.
    Der Verleger war draußen und sagte zu dem öffnenden Kind sofort: »Was ist klein, hat müde Augen und ist nach dem Kinderprogramm noch nicht im Bett?«
    Er kam mit großen Schritten auf die Frau zu und umarmte sie.
    Die Frau fragte: »Kommen Sie wieder von Ihrem verlorenen Autor?«
    Der Verleger: »Es gibt keinen verlorenen Autor. Und es gab nie einen.«
    Er zog eine Flasche Champagner aus der Manteltasche und sagte, es seien noch welche im Auto.
    Die Frau: »Lassen Sie den Fahrer doch auch hereinkommen!«
    Der Verleger winkte, nach einer kurzen Pause, an der offenen Tür dem Fahrer, der, nachdem er sich lange die Schuhe abgestreift hatte, zögernd eintrat.
    Der Verleger: »Sie sind auf ein Glas eingeladen.« Die Frau: »Oder zwei.«
    Die Türglocke läutete wieder, und als der Fahrer aufmachte, stand da die Verkäuferin aus der Boutique, lächelnd, schön geworden.
    Alle saßen und standen im Wohnraum, tranken. Das Kind würfelte noch. Musik. Der Verleger schaute vor sich hin; dann von einem zum andern;schien sich plötzlich zu freuen und goß dem Fahrer nach.
    Nun war es wieder das Telefon, das läutete. Die Frau lief hin und sagte sofort: »Sie sind es, nicht wahr?

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