Die Liste
Verbrecher 213
gefährlich sein. Zum einen sei es möglich, dass jemand Rhodas Blut auf sein Hemd geschmiert habe, behauptete er, eine Theorie, die die Menge sichtlich erheiterte. Für wahrscheinlicher halte er jedoch, dass eine geheimnisvolle Person, die das Hemd untersucht habe, lüge, damit er verurteilt werde. Gaddis zerriss beide Szenarien in der Luft, doch seine schwersten Treffer landete er mit einer Reihe brutaler Fragen. Warum hatte Danny, der doch mit Sicherheit genug Geld besaß, um die besten, Anwälte im Land zu engagieren, nicht selbst einen Gutachter beauftragt, der den Geschworenen vor Gericht die Sache mit den gefälschten Blutuntersuchungen erklärte?
Vielleicht hatte er einen solchen Gutachter nicht auftrei-ben können, weil kein Gutachter zu den albernen Schluß-
folgerungen kommen konnte, die Padgitt verlangte.
Das Gleiche galt für das Sperma. Wenn Danny es in Lydias Haus produziert hatte, wie hatte es dann seinen Weg zu Rhoda gefunden? Kein Problem – es war Teil einer großen Verschwörung, deren Ziel es war, ihm das Verbrechen anzuhängen. Die Laborberichte waren gefälscht, die Arbeit der Polizei mangelhaft. Gaddis machte ihn fertig, bis wir alle erschöpft waren.
Um halb eins stand Wilbanks auf und schlug vor, in die Mittagspause zu gehen. »Ich bin noch nicht fertig!«, brüllte Gaddis durch den Saal. Er wollte sein Werk der Vernichtung beenden, bevor Wilbanks seinen Mandanten in die Finger bekam und versuchte, ihn zu rehabilitieren, eine Aufgabe, die allerdings unmöglich schien. Padgitt hing angeschlagen und nach Luft ringend in den Seilen, und Gaddis hatte nicht die geringste Absicht, sich in eine neutrale Ecke zurückzuziehen.
»Fahren Sie fort«, sagte Richter Loopus.
»Was haben Sie mit dem Messer getan?«, rief Gaddis 214
unvermittelt.
Die Frage überraschte alle, insbesondere den Zeugen, der zurückfuhr und hastig sagte: »Ich, äh …« Dann verstummte er.
»Sie was? Kommen Sie, Mr Padgitt, erzählen Sie uns, was Sie mit dem Messer, mit der Mordwaffe, getan haben.«
Danny schüttelte verzweifelt den Kopf. Er sah aus, als hätte er Angst, noch etwas zu sagen. »Was für ein Messer?«, stieß er hervor. Wäre das Messer in diesem Moment aus seiner Tasche zu Boden gefallen, er hätte nicht schuldiger wirken können.
»Das Messer, mit dem Sie Rhoda Kassellaw niedergestochen haben.«
»Das war ich nicht.«
Wie ein grausamer Henker, der die Hinrichtung in die Länge zieht, legte Gaddis eine Pause ein und beriet sich erneut mit Hank Hooten. Dann griff er nach dem Autopsiebericht und fragte Danny, ob er sich an die Aussage des ersten Pathologen erinnere. Sei dessen Bericht auch Teil der Verschwörung? Danny wusste nicht recht, was er antworten sollte. Nachdem das gesamte Beweismaterial gegen ihn verwendet werde, müsse der wohl auch gefälscht sein.
Und der Hautfetzen unter Rhoda Kassellaws Finger-nagel, der war auch Teil der Verschwörung? Und sein eigenes Sperma? Gaddis war unerbittlich. Gelegentlich warf Wilbanks Dannys Vater einen Blick über die Schulter zu, der besagte: »Ich hatte Sie gewarnt.«
Dass Danny Padgitt als Zeuge aussagte, gab Gaddis die Gelegenheit, noch einmal das gesamte Beweismaterial breitzutreten. Die Wirkung war verheerend. Seine schwachen Proteste, dass alles aufgrund einer Ver-215
schwörung manipuliert worden sei, klangen lächerlich, geradezu albern. Es war ein Genuss zu sehen, wie er vor den Augen der Geschworenen zugrunde gerichtet wurde.
Die Guten waren am Gewinnen. Die Geschworenen sahen aus, als könnten sie jeden Augenblick zu den Gewehren greifen und sich zum Erschießungskommando formieren.
Gaddis warf seinen Notizblock auf den Tisch. Es schien, als könnten wir nun endlich in die Mittagspause gehen. Da rammte er beide Hände in die Hosentaschen, funkelte den Zeugen wütend an und knurrte: »Sagen Sie unter Eid vor diesen Geschworenen aus, dass Sie Rhoda Kassellaw nicht vergewaltigt und ermordet haben?«
»Ich habe es nicht getan.«
»Sie sind ihr an jenem Samstagabend nicht von der Staatsgrenze nach Hause gefolgt?«
»Nein.«
»Und sie sind nicht durch die Terrassentür ins Haus geschlichen?«
»Nein.«
»Und haben sich auch nicht in ihrem Wandschrank versteckt, bis sie die Kinder ins Bett gebracht hatte?«
»Nein.«
»Und Sie haben sie auch nicht angegriffen, als sie hereinkam, um ihr Nachthemd anzuziehen?«
»Nein.«
Wilbanks erhob sich erbost. »Einspruch, Euer Ehren. Mr Gaddis macht hier selbst eine
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