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Die Liste

Die Liste

Titel: Die Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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gewesen, Lydia Vince als Überraschung zu präsentieren, sie ihre Lügen erzählen und das Alibi bestätigen zu lassen und sie dann aus dem Zeugenstand zu holen und ein Urteil zu erzwingen, bevor ihre Glaubwürdigkeit erschüttert werden konnte. Sie hatte kaum jemand im County gekannt und lebte eine Fahrtstunde entfernt.
    Diese Strategie stand vor einem katastrophalen Misserfolg, und der gesamte Saal sah und spürte die Spannung, die zwischen Wilbanks und seinem Mandanten herrschte.
    »Kennen Sie einen Mann namens Danny Padgitt?«, fragte Gaddis.
    »Nie von ihm gehört«, erwiderte Malcolm.
    »Ihre Frau hat gestern ausgesagt, sie habe fast ein Jahr lang ein Verhältnis mit ihm gehabt.«
    Es kommt selten vor, dass ein nichts ahnender Ehemann in aller Öffentlichkeit mit einer solchen Nachricht konfrontiert wird, aber Malcolm reagierte ziemlich gelassen.
    »Tatsächlich?«, fragte er.
    »Ja. Sie hat ausgesagt, das Verhältnis sei vor etwa zwei 208

    Monaten zu Ende gegangen.«
    »Na ja, Sir, das kann ich mir kaum vorstellen.«
    »Warum?«
    Malcolm wand sich und schien plötzlich lebhaft an seinen Füßen interessiert zu sein. »Also, das ist irgendwie privat, wissen Sie.«
    »Ja, Mr Vince, das kann ich mir vorstellen. Aber manchmal müssen private Angelegenheiten in einer öffentlichen Verhandlung diskutiert werden. Hier steht ein Mann vor Gericht, der des Mordes angeklagt ist. Das ist eine ernste Sache, und wir müssen die Wahrheit erfahren.«
    Malcolm schlug das linke Bein über das rechte Knie und kratzte sich ein paar Sekunden lang am Kinn. »Na ja, Sir, die Sache ist so, wir haben seit etwa zwei Jahren keinen Sex mehr gehabt. Deshalb lassen wir uns auch scheiden.«
    »Gibt es einen besonderen Grund dafür, warum Sie keinen Sex mehr hatten?« Gaddis hielt den Atem an.
    »Ja, Sir. Sie hat gesagt, sie hasst Sex mit mir so sehr, dass ihr davon schlecht wird. Sie wollte lieber Sex mit …
    na ja, mit anderen Frauen.«
    Obwohl Gaddis die Antwort kennen musste, blickte er angemessen schockiert drein. So wie alle anderen. Er trat vom Podium zurück und beriet sich kurz mit Hank Hooten, allerdings nur so lange, bis die Geschworenen diese Information verdaut hatten. »Keine weiteren Fragen, Euer Ehren«, sagte er schließlich.

    Wilbanks trat an Malcolm Vince heran, als wäre der ein geladenes Gewehr. Ein paar Minuten lang redete er um den heißen Brei herum. Laut Baggy stellt ein guter Prozessanwalt nie eine Frage, deren Antwort er nicht kennt, vor allem bei einem Zeugen, der so gefährlich ist, 209

    wie Malcolm Vince es war. Wilbanks war ein guter Anwalt, und er hatte keine Ahnung, was Malcolm von sich geben würde.
    Dieser bekannte, dass er nichts für Lydia übrig habe, lieber heute als morgen geschieden werden wolle, dass die letzten Jahre mit ihr kein Vergnügen gewesen seien und so weiter. Typisches Scheidungsgerede. Er erinnerte sich, von dem Kassellaw-Mord am Morgen danach gehört zu haben. Er war nachts unterwegs gewesen und spät nach Hause gekommen. Wilbanks erzielte einen kleinen Erfolg, indem er bewies, dass Lydia in jener Nacht tatsächlich allein gewesen war, wie sie gesagt hatte.
    Aber das spielte kaum eine Rolle. Die Geschworenen und wir anderen hatten immer noch daran zu kauen, welche Sünden Lydia auf sich geladen hatte.

    Nach einer langen Unterbrechung erhob sich Wilbanks widerwillig und wandte sich an das Gericht. »Euer Ehren, die Verteidigung hat keine weiteren Zeugen . Allerdings will mein Mandant eine Aussage machen. Ich möchte ausdrücklich zu Protokoll geben, dass er dabei gegen meinen Rat handelt.«
    »Ich nehme das zur Kenntnis«, sagte Loopus.
    »Ein idiotischer Fehler. Unglaublich«, flüsterte Baggy so laut, dass ihn der halbe Saal hören konnte.
    Danny Padgitt sprang auf und stolzierte zum Zeugenstand. Sein Versuch eines Lächelns wirkte wie ein selbstgefälliges Grinsen, sein Selbstvertrauen wie Frechheit. Er schwor, die Wahrheit zu sagen, aber niemand glaubte ihm.
    »Warum wollen Sie unbedingt aussagen?«, war Wilbanks’ erste Frage. Im Saal herrschte Totenstille.
    »Weil ich will, dass diese ehrenwerten Leute erfahren, 210

    was wirklich geschehen ist«, erwiderte Padgitt mit Blick auf die Geschworenen.
    »Dann sagen Sie es Ihnen«, forderte Wilbanks ihn auf, während er mit der Hand auf die Geschworenen deutete.
    Padgitts Version der Ereignisse zeichnete sich durch große Kreativität aus, weil ihn niemand widerlegen konnte. Lydia war fort, Rhoda tot. Zuerst sagte er, er habe ein

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