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Die Löwen

Die Löwen

Titel: Die Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Held sein.«
    »Meinen Sie?« sagte Jean-Pierre kühl. Die Wendung, die das Gespräch nahm, behagte ihm gar nicht.
    »Im vorigen Jahr gingen zwei Leute aus diesem Krankenhaus nach Afghanistan«, fuhr der Röntgenologe fort. »Nach ihrer Rückkehr kriegten sie unwahrscheinlich gute Jobs.«
    Jean-Pierre lächelte nachsichtig. »Nett zu wissen, dass ich noch verwendbar sein werde, falls ich überlebe.«
    »Das will ich doch hoffen!« sagte die Brünette indigniert. »Nach solch einem Opfer!«
    »Was halten deine Eltern davon?« fragte Valerie.
    »Meine Mutter hat nichts dagegen«, sagte Jean-Pierre. Natürlich hatte sie nichts dagegen: Sie liebte einen Heiden. Jean-Pierre konnte sich denken, was sein Vater sagen würde über idealistische junge Arzte, die bereit waren, für afghanische Rebellen zu arbeiten. Sozialismus bedeutet nicht, dass jeder tun kann, was er will, würde er sagen, mit rauer und beschwörender Stimme und leicht gerötetem Gesicht. Was glaubst du denn, was diese Rebellen sind? Sie sind Banditen, die die gesetzestreuen Bauernausbeuten. Feudale Strukturen müssen vernichtet werden, bevor der Sozialismuseingeführt werden kann. Mit seiner mächtigen Faust würde er auf den Tisch schlagen. Um ein Soufflé zu m achen, muss t du Eier zerbrechen - um Sozialismus zu machen, muss t du Köpfe zerbrechen! Keine Sorge, Papa, das weiß ich alles. »Mein Vater ist tot«, sagte Jean-Pierre. »Aber er war selbst ein Freiheitskämpfer. Währen d des Krieges kämpfte er in der Résistance .«
    »Was tat er denn?« fragte der skeptische Röntgenologe, doch Jean-Pierre antwortete nicht, weil er sah, wie sich Raoul Clermont quer durch die Kantine ihrem Tisch näherte: Raoul Clermont, der Herausgeber von La Revolte, schwitzend in seinem Sonntagsanzug.
    Was zum Teufel wollte dieser fette Zeitungsmensch hier in der Krankenhauskantine?
    »Ich muss mit Ihnen reden«, sagte Raoul ohne Umschweife. Er war außer Atem.
    Jean-Pierre wies auf einen Stuhl. »Raoul – «
    »Es ist dringend«, unterbrach ihn Raoul, fast als wolle er nicht, dass die anderen seinen Namen verstanden.
    »Warum setzen Sie sich nicht auf einen Happen zu uns? Dann können wir in aller Ruhe miteinander sprechen.«
    »Bedaure, geht leider nicht.«
    In der Stimme des Dicken schwang ein Unterton von Panik mit, und er blickte Jean-Pierre geradezu flehend an. Verwundert stand Jean-Pierre auf. »Okay«, sagte er. Und um dem Ganzen einen Anstrich von Lässigkeit zu geben, fügte er hinzu: »Dass ihr mir ja nicht mein Essen wegfuttert - bin bald wieder da.« Er nahm Raoul beim Arm, und gemeinsam verließen sie die Kantine.
    Jean-Pierre wollte gleich draußen auf dem Korridor stehen bleiben, um das Gespräch zu erledigen, doch Raoul ging weiter. »Monsieur Leblond schickt mich«, sagte er.
    »Konnte ich mir ja denken, dass er dahintersteckt«, sagte Jean-Pierre. Vor einem Monat hatte Raoul ihn mit Leblond bekannt gemacht, der ihm dann vorschlug, nach Afghanistan zu gehen, scheinbar um den Rebellen zu helfen, wie viele junge französische Ärzte, in Wirklichkeit jedoch, um für die Russen zu spionieren. Jean-Pierre hatte Stolz empfunden, großen Stolz und eine klopfende Erregung, dass sich ihm hier die Chance bot, etwas wirklich Wichtiges für den Kommunismus zu tun. Allerdings befürchtete er, dass die Organisation, die Ärzte nach Afghanistan schickte, ihn abweisen würde, weil er Kommunist war. Zwar konnten die nicht wissen, dass er Parteimitglied war, und er dachte nicht daran, es ihnen zu verraten; doch womöglich war ihnen bekannt, dass er mit der kommunistischen Partei sympathisierte. Es gab auch viele französische Kommunisten, die die Invasion in Afghanistan keineswegs billigten. Es ließ sich nicht ganz ausschließen, dass eine vorsichtige Organisation den Vorschlag machte, Jean-Pierre solle lieber für andere Freiheitskämpfer arbeiten – zum Beispiel in El Salvador. Doch das war nicht geschehen: Jean-Pierre war sofort von Medecins pour la Liberte akzeptiert worden. Er hatte Raoul die erfreuliche Neuigkeit mitgeteilt, und Raoul hatte gesagt, es werde ein weiteres Treffen mit Leblond geben. Vielleicht war es das nun. »Aber weshalb die Panik?«
    »Er will dich jetzt sehen.«
    »Jetzt?« fragte Jean-Pierre ärgerlich. »Ich bin im Dienst. Da sind Patienten, die ich -«
    »Um die kann sich doch jemand anders kümmern.«
    »Aber weshalb diese überstürzte Eile? Bis zu meiner Abreise sind’s doch noch zwei Monate.«
    »Dies hat nichts mit Afghanistan zu

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