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Die Löwen

Die Löwen

Titel: Die Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Gebäudes, in dem Jean-Pierre seinerzeit befragt worden war. Die hohen Fenster und die eleganten Verzierungen ließen erkennen, dass dies einmal ein luxuriöser Salon gewesen war, doch jetzt befanden sich darin ein Nylon-Teppich, ein billiger Büroschreibtisch und ein paar orangefarbene Plastikstühle.
    »Wartet hier einen Augenblick«, sagte Leblond. Seine Stimme klang ruhig, befehlsgewohnt und gleichsam staubtrocken. Ein leichter, jedoch unverkennbarer Akzent ließ ahnen, dass sein wirklicher Name nicht Leblond war. Er ging durch eine andere Tür hinaus.
    Jean-Pierre setzte sich auf einen der Plastikstühle. Raoul blieb stehen. In diesem Raum, dachte Jean-Pierre, hat jene staubtrockene Stimme zu mir gesagt: Du bist praktisch seitdeiner Kindheit ein stilles und loyales Parteimitglied. Dein Charakter und deine Herkunftlassen darauf schließen, dass du der Partei in einer geheimen Funktion von großem Nutzen wärest.
    Hoffentlich habe ich nicht alles wegen Jane ruiniert, dachte er.
    Leblond kam mit einen anderen Mann zurück. Die beiden blieben in der Türöffnung stehen, und Leblond deutete auf Jean-Pierre. Der zweite Mann musterte ihn eindringlich, als wollte er sich sein Gesicht genau einprägen. Jean-Pierre erwiderte den Blick. Der Mann war sehr groß, mit einem Kreuz wie ein Kleiderschrank. Sein langes Haar war nach oben zu schon recht schütter, und sein Schnauzbart hing welk herab. Er trug eine grüne Cordjacke mit geschlitzten Ärmeln. Nach ein paar Sekunden nickte er und ging hinaus.
    Leblond schloss die Tür hinter ihm und setzte sich an den Schreibtisch. »Es hat eine Katastrophe gegeben.«
    Mit Jane hat’s also nichts zu tun, dachte Jean-Pierre. Gott sei Dank.
    Leblond sagte: »In deinem Freundeskreis gibt es einen CIA-Agenten.«
    »Mein Gott!« sagte Jean-Pierre. !
    »Das ist doch nicht die Katastrophe«, erklärte Leblond gereizt. »Dass sich unter deinen Freunden ein amerikanischer Spion befindet, kann kaum überraschen. Zweifellos haben die Israelis, die Südafrikaner, die Franzosen dort auch ihre Spione. Ist doch klar, dass alle ein Interesse daran haben, Gruppen junger politischer Aktivisten zu infiltrieren. Genau wie wir unseren Mann dort haben.«
    »Und wer ist das?«
    »Du.«
    »Oh!« Jean-Pierre war bestürzt: Als Spion hatte er sich eigentlich nicht betrachtet. Aber was sonst sollte der Satz schon heißen: der Partei in einer geheimen Funktion von Nutzen sein? »Wer ist der CIA-Agent?« fragte er voller Neugier.
    »Ein gewisser Ellis Thaler.«
    Jean-Pierre war so schockiert, dass er unwillkürlich aufsprang . »Ellis?«
    »Du kennst ihn also wirklich. Gut.«
    »Ellis ist ein CIA-Agent?«
    »Setz dich«, sagte Leblond streng. »Unser Problem ist nicht, wer er ist, sondern was er getan hat.«
    Jean-Pierre dachte: Wenn Jane das erfährt, wird sie Ellis fallen lassen wie eine heiße Kartoffel. Wird man mir erlauben, es ihr zu sagen? Und wenn nicht: Wird sie’s auf eine andere Weise erfahren? Wird sie es glauben? Wird Ellis es abstreiten?
    Leblond sprach. Jean-Pierre zwang sich, konzentriert zuzuhören. »Die Katastrophe besteht darin, dass Ellis eine Falle aufstellte. Und in diese Falle ist jemand geraten, der für uns ziemlich wichtig ist.«
    Jean-Pierre erinnerte sich, dass Raoul gesagt hatte, Rahmi Coskun sei festgenommen worden. »Rahmi ist für uns wichtig?«
    »Doch nicht Rahmi.«
    »Wer ist es dann?«
    »Das brauchst du nicht zu wissen.«
    »Weshalb bin ich dann hierher beordert worden?«
    »Halt die Klappe und hör zu«, fuhr ihn Leblond an, und zum ersten Mal hatte Jean-Pierre Angst vor ihm. »Ich kenne deinen Freund Ellis natürlich nicht persönlich. Raoul leider auch nicht. Also wissen wir beide nicht, wie er aussieht. Aber du weißt es. Deshalb habe ich dich herbestellt. Weißt du auch, wo Ellis wohnt?«
    »Ja. Er hat ein Zimmer über einem Restaurant in der Rue de l’Ancienne Comedie.«
    »Geht das Zimmer auf die Straße hinaus?«
    Jean-Pierre krauste die Stirn. Er war nur ein einziges Mal dort gewesen: Ellis lud nur selten jemanden zu sich ein. »Ich glaube, ja.«
    »Du bist dir nicht ganz sicher?«
    »Augenblick, ich muss nachdenken.« Eines späten Abends, nach einer Filmvorführung an der Sorbonne, hatte er zusammen mit Jane und einem Haufen anderer Ellis besucht. Es war ein kleines Zimmer. Jane hatte sich beim Fenster auf den Fußboden gesetzt… »Ja.
    Das Fenster geht auf die Straße hinaus. Weshalb ist das wichtig?«
    »Es bedeutet, dass du Signale geben kannst.«
    »Ich?

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