Die Löwen
hier bin? Ich will ihn warnen, dass man hinter ihm her ist.«
Jane begriff, dass Jean-Pierre im Ernst sprach: dass er diese Geschichte wirklich glaubte.
Nun, Ellis würde da gleich Klarheit schaffen.
Die Tür ging auf, und Ellis trat ein.
Er sah sehr glücklich aus, so als habe er eine prachtvolle Neuigkeit zu überbringen, und als Jane sein rundes, lächelndes Gesicht sah, mit der gebrochenen Nase und den durchdringend blauen Augen, schlug ihr das Gewissen wegen ihres Flirts mit Jean-Pierre.
Ellis blieb in der Tür stehen, offensichtlich von Jean-Pierres Anwesenheit überrascht. Sein Lächeln schien zu verblassen. »Hallo, ihr beiden«, sagte er. Er zog die Tür hinter sich zu und schloss sie ab, wie er es immer tat. Bisher hatte Jane das für eine Art Spleen gehalten, aber jetzt kam ihr der Gedanke, dass dies genau dem Verhalten eines Spions entsprechen mochte. Sie verdrängte die Vorstellung.
Jean-Pierre sprach als erster. »Die sind über dich im Bilde, Ellis. Die wissen Bescheid.
Und sie sind hinter dir her.«
Jane blickte vom einen zum anderen. Jean-Pierre war größer als Ellis, doch Ellis hatte breitere Schultern und eine breitere Brust. Sie standen da und sahen einander an wie zwei Katzen, die wechselseitig Maß nehmen.
Jane legte ihre Arme um Ellis, küsste ihn ein wenig schuldbewusst und sagte: »Jean-Pierre hat die absurde Behauptung aufgestellt, du seist ein CIA-Spion.«
Jean-Pierre beugte sich aus dem Fenster und ließ seinen Blick über die Straße gleiten.
Dann drehte er sich um. »Sag’s ihr, Ellis.«
»Wo hast du das gehört?« fragte Ellis ihn.
»Es ist inzwischen stadtbekannt.«
»Und von wem genau hast du es gehört?« fragte Ellis.
»Von Raoul Clermont.«
Ellis nickte. Auf englisch sagte er: »Jane, würdest du dich bitte hinsetzen?«
»Ich will mich nicht setzen«, sagte sie gereizt.
»Ich habe dir etwas zu sagen«, erklärte er. Es konnte nicht wahr sein, es durfte nicht wahr sein. Jane spürte, dass ein Gefühl von Panik in ihr aufstieg. »Dann fang damit an«, sagte sie, »und hör auf, mich zum Sitzen aufzufordern!«
Ellis blickte zu Jean-Pierre. »Würdest du uns allein lassen?« sagte er auf französisch.
Jane wurde zornig. »Was willst du mir erzählen? Warum sagst du nicht einfach, dass Jean-Pierre unrecht hat? Sag mir, dass du kein Spion bist, Ellis, ich werde sonst glatt verrückt!«
»So einfach ist das nicht«, sagte Ellis. »Doch, es ist einfach!« Ihre Stimme bekam einen hysterischen Unterton. »Er sagt, dass du ein Spion bist, dass du für die amerikanische Regierung arbeitest und dass du mich, seit wir uns kennen, unentwegt schamlos und gemein angelogen hast. Ist das wahr? Ist es wahr oder nicht wahr? Raus mit der Sprache!«
Ellis seufzte. »Ich fürchte, es ist wahr.« Jane hatte das Gefühl zu explodieren. »Du Saukerl!« schrie sie. »Du Schweinehund!«
Ellis’ Gesicht war von steinerner Ausdruckslosigkeit. »Ich wollte dich heute ins Bild setzen«, erklärte er.
Es klopfte an die Tür. Sie ignorierten es beide. »Du hast mich und all meine Freunde bespitzelt!« fauchte Jane. »Ich schäme mich für dich!«
»Meine Arbeit hier ist beendet«, sagte Ellis. »Ich brauche dich nicht mehr anzulügen.«
»Dazu wirst du auch gar keine Gelegenheit haben. Ich will dich niemals wieder sehen.«
Es klopfte wieder, und Jean-Pierre sagte auf französisch: »Da ist jemand an der Tür.«
Ellis sagte: »Das ist doch nicht dein Ernst – dass du mich niemals wieder sehen willst.«
»Du begreifst einfach nicht, was du mir angetan hast, wie?« fragte sie.
Jean-Pierre sagte: »Öffnet die verdammte Tür, Herrgott noch mal!«
Jane murmelte: »Gütiger Himmel«, und trat zur Tür. Sie schloss sie auf und öffnete sie.
Draußen stand ein großer, breitschultriger Mann in einer grünen Cordjacke mit einem Schlitz im Ärmel. Jane hatte ihn noch nie gesehen. Sie fragte: »Was zum Teufel wollen Sie?« Dann sah sie die Pistole in seiner Hand.
Die nächsten Sekunden schienen sich endlos zu dehnen.
Doch Jane ging es blitzschnell durch den Kopf, dass alles genau so sein mochte, wie Jean-Pierre es behauptet hatte. War Ellis ein Spion, dann konnte es auch jemanden geben, der Vergeltung üben wollte; und diese Vergeltung mochte in Ellis’ heimlicher oder unheimlicher Welt durchaus in dieser Gestalt erscheinen - ein Klopfen an der Tür und ein Mann mit einer Pistole.
Sie öffnete den Mund, um zu schreien.
Der Mann zögerte für den Bruchteil einer Sekunde. Er schien
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