Die Löwen
machte sie Kaffee. Rasch schlüpfte er in seine ausgeblassten Jeans und in ein schwarzes T-Shirt und setzte sich ihr gegenüber an den kleinen Mahagonitisch. Sie schenkte ihm Kaffee ein und sagte: »Ich will ernsthaft mit dir reden.«
»Okay«, sagte er hastig. »Am besten beim Lunch – wie?«
»Warum nicht jetzt?«
»Ich habe jetzt keine Zeit.«
»Ist Rahmis Geburtstag wichtiger als unser Verhältnis?«
»Natürlich nicht.« Ellis registrierte seine eigene Gereiztheit, und eine warnende Stimme sagte ihm: Sei sanft, du könntest sie verlieren. »Aber ich habe es versprochen, und es ist wichtig, dass ich meine Versprechen halte, während es mir nicht ganz so wichtig scheint, ob wir unser Gespräch jetzt führen oder später.«
Janes Gesicht nahm einen entschlossenen, starrsinnigen Ausdruck an - wie stets, wenn man sie von einer Entscheidung abzubringen versuchte. »Für mich ist es wichtig, dass wirjetzt miteinander sprechen.«
Einen Augenblick lang war er versucht, ihr auf der Stelle die ganze Wahrheit zu sagen.
Aber ein solches Gespräch hatte er sich anders gedacht. Jetzt fehlte ihm die Zeit dazu, er war mit den Gedanken nicht bei der Sache und in keiner Weise darauf vorbereitet.
Lieber später, wenn beide entspannt waren und er ihr sagen konnte, dass sein Job in Paris abgeschlossen sei. Und so sagte er: »Ich finde, du bist albern, und ich lasse mir von dir nicht die Pistole auf die Brust setzen. Bitte lass uns später miteinander reden. Ich muss jetzt gehen.« Er stand auf.
Während er zur Tür ging, sagte sie: »Jean-Pierre hat mich gebeten, ihn nach Afghanistan zu begleiten.«
Das kam so unerwartet, dass Ellis einen Moment lang völlig perplex war. »Ist das dein Ernst?« fragte er ungläubig.
»Allerdings.«
Ellis wusste , dass Jean-Pierre Jane liebte. Genau wie ein halbes Dutzend weiterer Männer; das konnte bei einer solchen Frau nicht ausbleiben. Keiner dieser Männer war jedoch ein ernsthafter Rivale; zumindest hatte er das bis zu diesem Augenblick geglaubt. Allmählich gewann er seine Fassung zurück. Er sagte: »Du und mit solch einem Schwächling in ein Kriegsgebiet reisen - was soll der Unfug?«
»Das ist kein dummer Witz!« entgegnete sie heftig. »Ich spreche von meinem Leben ! «
Er schüttelte ungläubig den Kopf. »Du kannst nicht nach Afghanistan.«
»Warum nicht?«
»Weil du mich liebst.«
»Deswegen stehe ich noch lange nicht zu deiner Verfügung.«
Wenigstens hatte sie nicht gesagt: Nein, ich lieb’dich nicht. Er warf einen Blick auf seine Uhr. Eine lächerliche Situation: Nur noch ein paar Stunden, und er würde ihr alles sagen, was sie hören wollte. »Ich bin nicht dazu bereit«, erklärte er. »Wir reden über unsere Zukunft, und das ist kein Gespräch, das sich überstürzen lässt.«
»Ich werde nicht ewig warten«, sagte sie.
»Das verlange ich ja auch nicht von dir. Nur ein paar Stunden.« Er streichelte ihre Wange. »Lass uns nicht wegen ein paar Stunden streiten.«
Sie stand auf und gab ihm einen Kuss, sehr fest, fast hart.
Er sagte: »Du wirst nicht nach Afghanistan gehen, oder?«
»Weiß ich noch nicht«, sagte sie aufrichtig.
Er wagte ein Lächeln. »Zumindest nicht vorm Lunch.«
Sie erwiderte sein Lächeln und nickte. »Nicht vorm Lunch.«
Er sah sie noch einen Augenblick an, dann ging er.
Auf dem breiten Boulevards der Champs-Elysees wimmelte es von Touristen und Einheimischen, die ihren Morgenspaziergang machten, sich wie Schafherden in der warmen Frühlingssonne tummelten und sämtliche Straßencafés Straßencafés füllten. Ellis stand in der Nähe des Treffpunkts, mit einem Rucksack, den er in einem billigen Koffergeschäft gekauft hatte. Er sah aus wie ein Amerikaner auf Tramptour durch Europa.
Dass sich Jane ausgerechnet diesen Morgen für eine solche Konfrontation ausgesucht hatte! Sie würde unentwegt vor sich hinbrüten und eine Stinklaune haben, wenn er wiederkam. Und er würde eine Weile brauchen, bis er ihr gesträubtes Gefieder wieder geglättet hatte.
Er verdrängte Jane aus seinen Gedanken und konzentrierte sich auf die vor ihm liegende Aufgabe.
Es gab zwei Möglichkeiten, was die Identität von Rahmis › Freund ‹ betraf, der die kleine Terroristengruppe finanzierte. Die erste bestand darin, dass es sich um einen reichen, freiheitsliebenden Türken handelte, der, aus politischen oder persönlichen Gründen, Gewalt gegen Militärdiktaturen und deren Befürworter für gerechtfertigt hielt. In diesem Fall wäre Ellis enttäuscht
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