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Die Löwin von Aquitanien

Die Löwin von Aquitanien

Titel: Die Löwin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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keine Anstalten dazu gemacht hatte, errötete tief und entgegnete nichts. Seine Männer hatten noch immer nicht begriffen, welchen Fang sie gemacht hatten, und der Späher, den er ausgesandt hatte, fragte unruhig: »Was geschieht jetzt mit ihnen?« Ralph kam wieder zu sich. »Zum König!« schrie er. »Bei Gott, sofort zum König!«
    »Ich wage zu behaupten, daß Henry dankbar sein würde, wenn du ihm meinen Anblick noch ein wenig erspartest«, bemerkte Alienor.

    Sie drehte sich um und schaute ein letztes Mal auf die Straße nach Chartres zurück. Der französischen Grenze so nahe gewesen zu sein… Mit der Sonne gingen auch ihre Hoffnungen unter.

IV

Gefangenschaft

    Es packt die Furcht mich oft mit solcher Macht: Ich sah der Freiheit Sonne nimmermehr,
    Vergessen hier und so wie längst begraben.
    Doch soll der Zweifel mich noch nicht besiegen, Daß Gaukelbilder nur, mich zu betrügen,
    Was mir des Hoffens Süßigkeit verkündet…
    Noch soll mein Herz voll Bangnis nicht verzagen.

    Enzio von Hohenstaufen

Henrys Gesicht, staubig von einem langen Tagesmarsch, drückte Verblüffung, Befriedigung und ein drittes, undeutbares Gefühl aus, als ihm Ralph triumphierend seine Königin brachte. Seine Hauptleuten blickten neugierig von ihm zu Alienor, unsicher, ob der König wünschte, daß sie bleiben oder gehen sollten.
    »Hier haben wir also«, sagte Henry endlich, »Alienor von Aquitanien, Rebellin und Verräterin wider ihren Gemahl und König - vollständig gescheitert.«
    »Das wird sich zeigen«, sagte Alienor ruhig.
    Er lachte kurz auf, doch es lag nicht der geringste Funken Humor darin. Dann umfaßte er langsam mit beiden Händen ihre Schläfen und drückte zu. »Du bist geschlagen, meine liebe Gemahlin, sieh es doch ein. Ich könnte dir jetzt auf der Stelle den Schädel zerdrücken oder dich töten, und jeder würde die Strafe gerecht nennen. Aber weißt du, Alienor, mir ist noch etwas viel Besseres eingefallen.«
    Er ließ sie jäh los, wohl in der Hoffnung, daß sie zurücktaumeln und stolpern würde, doch sie bewahrte ihr Gleichgewicht.
    »Ich werde dich gefangenhalten, mein Herz, so lange es mir beliebt. Begreifst du, was das bedeutet, Alienor? Keine Verschwörungen mehr, kein Regieren, keine Reisen, keine Besuche, keine Lieder und keine Troubadoure, dafür werde ich sorgen. Du wirst für immer wie einer dieser Käfigvögel sein, die man auf dem Jahrmarkt kaufen kann - meine Gefangene für den Rest meines Lebens.«
    Grüne und braune Augen brannten ineinander. Sie wußte es, wußte, daß er unfehlbar das Schlimmste gefunden hatte, was er ihr antun konnte, wahrhaft schlimmer als der Tod - lebendig begraben zu sein.
    So, wie ihre Rebellion das Schlimmste gewesen war, das sie ihm antun konnte. Vor ihr erstreckte sich eine endlose schwarze Höhle leerer Jahre, und einen Moment lang gab sie der Verzweiflung nach.
    Dann straffte sie sich. Kein Selbstmitleid jetzt, nur kein Selbstmitleid, und ganz besonders nicht vor Henry und seinen Leuten.

    »Dein Leben und immer, Henry, sind zwei ganz verschiedene Dinge.«
    Er sah sie an. »Wann wirst du aufhören zu hoffen?« fragte er unvermittelt. »Zwei Jahre? Zehn Jahre? Zwanzig Jahre? Was meinst du, wie lange wird es dauern?«
    »Solange ich atme, Henry. Und sag nicht, daß du es anders lieber hättest - so ist es doch so viel unterhaltsamer für uns beide.«

    Alienor wurde von Henry zunächst nach Chinon geschickt, während er sich daranmachte, das Poitou zu befrieden. Louis und Hal waren noch damit beschäftigt, die Wunden zu lecken, die er ihnen bei der Vereitelung ihrer Invasion der Normandie geschlagen hatte, doch Richard spornte die Nachricht von der Gefangennahme seiner Mutter an, mit der Entschlossenheit der Verzweiflung allein weiterzukämpfen. Er war sechzehn Jahre alt und mußte sich nun mit einem Mann messen, der als einer der besten Schlachtstrategen Europas galt.
    Richard belagerte La Rochelle, eine der wenigen königstreuen Städte im Poitou und als Handels- und Versorgungslager von elementarer Bedeutung für Henry. Sein Hauptquartier hatte er im nahe-gelegenen Saintes aufgeschlagen, eine Stadt, die La Rochelles größte Rivalin im Handel war und daher mit Begeisterung am Aufstand teilnahm.
    Henry wollte Poitiers in die Knie zwingen, und er hatte die besseren Gerätschaften als Richard, die größere Armee, die größere Erfahrung und, was am allerwichtigsten war - er hatte Alienor gefangengenommen, die Person, an die sich die Bürger Aquitaniens gebunden

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