Die Löwin von Aquitanien
seine Eltern meistens auferlegten. Er sagte hitzig: »Und was ist mit meiner Krönung? War das alles nur ein Maskenspiel? Ich bin ein Mann, Vater, kein Kind mehr. Wenn ich der König von England bin, dann will ich jetzt schon die Macht haben, die mir zusteht, einen Teil zumindest. Ihr habt mich für die Normandie den Lehnseid schwören lassen, aber haben ich und Marguerite je Einkünfte aus der Normandie erhalten oder gar über sie verfügen können? Wir haben noch nicht einmal unseren eigenen Hof, wir leben bei Mutter oder bei Euch. Ich möchte mein Erbe haben, begreift Ihr, entweder England oder die Normandie oder Anjou.«
»Ich glaube«, sagte Henry langsam, »du bist wahnsinnig geworden. Du bekommst, was ich dir gebe, und wenn es mir gefällt, dir überhaupt nichts zu geben, dann ist es so.«
Hal sah aus, als würde er seinen Vater an Ort und Stelle angreifen, doch sein Bruder Will, einer von Henrys vorehelichen Söhnen, der mit seinen Halbgeschwistern aufgewachsen war, legte ihm eine Hand auf den Arm und sprach hastig auf ihn ein. Es gelang ihm, den jungen König zu beruhigen.
»Wie Ihr wünscht, Euer Gnaden.« Dann entfernte sich Hal.
Zurück ließ er eine aufgeschreckte Schar von Baronen und einen sehr nachdenklichen Henry.
Will, den sein Vater nach dem Tod Patricks von Salisbury mit dessen Grafschaft ausgestattet hatte, war das Temperament der Plantagenets erspart geblieben.
Nicht so sein Halbbruder Ralph. Anders als Will hatte er sich mit den Prinzen und Prinzessinnen, denen er ihre eheliche Abkunft neidete, nie gut vertragen. Aber was bedeutete schon ehelich? Der Eroberer war selbst ein Bastard gewesen. Der öffentliche Streit zwischen seinem Vater und Hal befriedigte ihn zutiefst, und er sagte gut gelaunt zu Will, als sie im Gefolge seines Vaters nach Chinon ritten: »Glaubst du, Hal wird noch einmal so den Verrückten spielen? Wenn ja, enterbt ihn Vater bestimmt.«
Will schaute ihn strafend an. »Hal kann nicht enterbt werden, er ist ein gesalbter König. Allerdings weiß ich auch nicht, was in ihn gefahren ist. Vater hat ihn seit Montferrand nicht mehr aus den Augen gelassen, er besteht sogar darauf, daß sie im selben Raum schlafen.« Ralph schnitt eine Grimasse. »Was für ein angenehmer Zustand, wo sie ohnehin kaum mehr miteinander sprechen!« Er überlegte.
»Diese Jagdgesellschaft, auf der Vater war, nachdem Hal seinen großen Ausbruch hatte«, sagte er schließlich, »du warst dabei. Habt Ihr wirklich nur Falken aufsteigen lassen?«
Wills Miene war unglücklich und gequält. »Er hat Boten verschickt, um seine Burgen in Kriegsbereitschaft versetzen zu lassen, aber sag es niemandem.« Er seufzte. »Ich hoffe nur, Hal tut nichts Unüberlegtes.«
In Chinon gelang es Hal in der Nacht seiner Ankunft, seinem schlafenden Vater zu entkommen. Er floh durch die Normandie, in Richtung auf die französische Grenze. Henry setzte ihm sofort nach, doch es zeigte sich, daß Hal einen mächtigen Helfer gehabt haben mußte, denn überall waren für den jungen König frische Pferde bereit gewesen. Hal gelang es, Frankreich unbehelligt zu erreichen. Er begab sich sofort nach Paris.
Die große Halle des herzoglichen Palastes von Poitiers war hell erleuchtet, obwohl es tief in der Nacht war, und die Fackeln zeichneten unruhige Schatten auf die Gesichter der Männer, die dort versammelt waren. Vor ihnen standen hoch aufgerichtet Alienor und ihre beiden Söhne Richard und Geoffrey.
»Nun«, sagte sie langsam, »es ist soweit.« Jahrelang hatte sie, sehr vorsichtig, sehr heimlich, immer mehr ihrer Vasallen für ihre Sache überzeugt, und es war ihr gelungen, die mächtigsten Adligen auf ihre Seite zu ziehen. Heute nacht waren unter anderem die Grafen Guillaume von Angoulême, Gilles de Parthenay, Geoffrey de Rancon und Guy de Lusignan hier, um mit ihr den Aufstand gegen den König auszurufen.
»Wir werden Aquitanien von der englischen Oberherrschaft befreien«, sagte sie, »und wieder ein unabhängiges Land sein. Der französische König steht auf unserer Seite und wird den Anspruch meines Sohnes Hal in England unterstützen.«
»Können wir auch hier auf seine Waffenhilfe rechnen?« gab der Graf de Rancon zu bedenken.
Alienor nickte. »Richard und Geoffrey werden sich ebenfalls nach Paris begeben, denn sonst dauert es vielleicht zu lange, bis ein französischer Heerführer Truppen hierherführt.« Guy de Lusignan räusperte sich. »Was ist mit dem Grafen der Champagne? Wenn er sein Bündnis mit dem
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