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Die Löwin von Aquitanien

Die Löwin von Aquitanien

Titel: Die Löwin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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fühlten und auf die sie hofften. Richard war zwar ebenfalls beliebt, aber man wußte noch wenig mehr als sein Alter und nichts über seine Fähigkeiten im Krieg. Kaum hatte Richard die Nachricht von der Einnahme Poitiers’ erreicht, stand Henry schon vor Saintes und nahm die Stadt im Sturm. Richard gelang es gerade noch, sich mit ein paar Gefolgsleuten zu Geoffrey de Rancons Burg Taillebourg durchzuschlagen.

    Taillebourg war, anders als Saintes, außergewöhnlich stark befestigt, so daß Henry keinen Versuch machte, seinem Sohn zu folgen, sondern nur eine Garnison in Saintes zurückließ und beschloß, nach England zurückzukehren, um sich der Rebellen dort anzunehmen.
    Er ordnete an, daß die Königin ihn zu begleiten habe.
    Heftige Unwetter tobten, als sie in Barfleur ausliefen. Reglos stand das Königspaar an Deck und bot dem Sturm die Stirn. Als sie in Southampton an Land gingen, machte Henry seine langversprochene Huldigung wahr: In einer schlichten Büßerkutte marschierte er, ohne Nahrung zu sich zu nehmen, direkt nach Canterbury.

    Thomas Becket war im vergangenen Jahr vom Papst heiliggesprochen worden, und Henry verbrachte die Nacht allein neben seinem Grab. Diese Nacht in der tiefen Stille der Gewölbe war für Henry schmerzhafter als das, was ihn am nächsten Tag erwarten würde. In der leeren Kathedrale hallte nicht nur jede seiner Bewegungen, sondern auch das Echo der Vergangenheit wider. Thomas Becket war sein bester Freund gewesen und sein größter Feind - abgesehen von Alienor. Diese beiden, Alienor und Becket, hatten sich gegen ihn gewandt, und beide hatten dafür bezahlt. Aber der Mord an Thomas Becket, auch wenn es damals keinen anderen Ausweg gegeben zu haben schien, dieser Mord hatte ihn jetzt dreieinhalb Jahre lang verfolgt und würde ihn vielleicht für den Rest seines Lebens verfolgen.
    Am Morgen feierte der König mit den Mönchen die Messe, dann entledigte er sich seiner Kutte und ließ sich, nackt und bloß, vor den Augen einer gewaltigen Menschenmenge von siebzig Augustinern geißeln.
    Niemand hatte wirklich geglaubt, daß er es tun würde; nicht Henry Plantagenet, der Hochmut in Person, und die Betroffenheit wie Ehrfurcht der Bevölkerung waren groß.
    Am nächsten Tag verkündete der König, daß der heilige Thomas bereits ein Wunder für ihn gewirkt hätte - in dieser Nacht sei die Nachricht gekommen, daß der König von Schottland durch seinen Friedensrichter Glanville besiegt worden war. Damit hatte er das staunende Volk, Angelsachsen wie Normannen, auf seiner Seite - es war offensichtlich, Sankt Thomas stand dem König bei, was hieß, seine Sache war gerecht. Kurze Zeit später mußten seine aufständischen Grafen und Barone sich ergeben.
    Auf dem Festland war unterdessen auch Louis überzeugt, einen schweren Fehler, vielleicht sogar eine Sünde begangen zu haben, indem er die Familie des englischen Königs gegen ihr Oberhaupt unterstützt hatte. Wenn Gott und der heilige Thomas tatsächlich…
    Er bot Henry Friedensgespräche an. Hal und Geoffrey hatten nicht die Absicht, ohne französische Hilfe gegen einen übermächtigen Vater weiterzukämpfen, und am achten September schlossen Louis und Henry einen Waffenstillstand. Wer in diesem Abkommen nicht berücksichtigt war: Richard.
    Henry konnte sich nun ohne weitere Ablenkungen auf Richard konzentrieren, und binnen weniger Wochen hatte er den letzten Sohn, der ihm noch Widerstand leistete, an die Wand gedrängt.
    Schließlich willigte Richard ein, sich mit Henry zu treffen.
    Es war der dreiundzwanzigste September, als Richard bleich und angespannt vor seinen Vater trat. Henry ersparte ihm die Demütigung einer öffentlichen Unterwerfung. Er bedeutete Richard, ihm in sein Zelt zu folgen, und winkte ab, als sein Gefolge, allen voran Ralph, nachkommen wollte.
    In dem riesigen, leeren Zelt hätte leicht der ganze Hofstaat Platz gehabt, und die Absicht war klar. Richard spürte ein kurzes Aufflackern von Dankbarkeit, das jedoch schnell wieder verging. Dankte man seinem Folterer, weil er die Instrumente allein statt vor anderen gebrauchte?
    Henry schenkte sich etwas Wein ein. »Nun?« fragte er gedehnt.
    »Ich muß sagen, du hast mich bei diesem Krieg am meisten überrascht. Ich hätte nicht gedacht, daß du auf die Idee kämst, La Rochelle anzugreifen. Du hast Fähigkeiten, mein Junge.«
    »Ich hätte nicht gedacht, daß Thomas Becket so außergewöhnlich zeitgünstige Wunder wirken kann«, gab Richard kühl zurück, und Henrys

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