Die Löwin von Aquitanien
Anspruch hat. Doch ich entnehme Euren Briefen an meinen Vater, daß Ihr Eure Schwester entweder vermählt oder das Vexin wieder in französischer Hand sehen wollt. Mit mir als König hättet Ihr also die letztere Möglichkeit gewiß - ich verspreche Euch das Vexin.«
»Versprechungen sind billig.«
Geoffreys Kehle war trocken. »Das Vexin einschließlich der Festung Gisors, in einem schriftlich festgelegten Pakt, meinetwegen auch einen Schwur in Anwesenheit von Zeugen; außerdem bestätige ich Euch für den Fall meines Todes Eure Vormundschaft als oberster Lehnsherr über meine Kinder und damit die Bretagne.«
»Die habe ich ohnehin«, stellte Philippe trocken fest. »Doch das Vexin liegt mir am Herzen. Ich glaube, Geoffrey, wir könnten einig werden.«
Geoffrey gestattete sich nur ein leichtes Atemholen, um seinen Gefühlen Luft zu machen. Endlich war die Krone, die schon so lange in gleißender Unerreichbarkeit vor ihm schimmerte, in greifbare Nähe gerückt. »Wie wäre es für den Anfang mit dem Titel eines Seneschall von Frankreich?« fragte er lächelnd.
Geoffreys Aufenthalt am französischen Hof fand einige Monate später ein abruptes Ende. Es war ein gewittriger Augusttag, als der neuernannte Seneschall vor dem versammelten Hof, auch seiner Halbschwester, der Gräfin Marie der Champagne, auf einem Turnier von einem Pferd zu Tode getrampelt wurde. Er erhielt ein feierliches Begräbnis in der Kathedrale von Notre-Dame. Wie es trotz der strengen Turnierregeln zu diesem Unfall kommen konnte, war Anlaß für unzählige Gerüchte, um so mehr, da sich Marie sofort nach dem Begräbnis von Philippes Hof in die Champagne zurückzog. Warum Geoffrey, der im Grunde nie ein Turnierkämpfer gewesen war, an diesem Tag ausgerechnet gegen einen der gewandtesten französischen Ritter gestritten hatte, wußte niemand. Geoffreys Tod war so undurchsichtig wie sein Leben.
Philippe beanspruchte sofort die Vormundschaft über Geoffreys zwei kleine Töchter und den Sohn, den die verwitwete Herzogin der Bretagne kurz nach dem Tod ihres Gemahls in Paris gebar. Zähe und langwierige Verhandlungen zwischen England und Frankreich setzten ein; denn wenn Philippe die herzogliche Familie in seiner Gewalt hatte, so Henry die Bretagne kraft seiner Truppen. Allerdings entging dem englischen König keineswegs, daß sich nun auch sein Sohn Richard wieder öfter an Philippes Seite in Paris sehen ließ - während Geoffreys Aufenthalt hatte er das tunlichst vermieden -, und wie es hieß, war die Freundschaft zwischen den beiden so eng wie nie zuvor.
Doch sowohl die Verhandlungen als auch Henrys Argwohn wurden von einem Ereignis überschattet, das die ganze Christenheit erneut in Aufruhr versetzte. Guy de Lusignan, der König von Jerusalem, war von Sultan Saladin vernichtend geschlagen worden, das Heilige Kreuz in den Händen der Moslems, und diejenigen Tempelritter, die die Schlacht überlebt hatten, bis zum letzten Mann hingerichtet. Da die Templer als die herausragendsten Soldaten der Christenheit galten, versetzte diese Nachricht das Abendland besonders in Schrecken. Viele waren nahe daran, in Saladin den endlich eingetroffenen Antichristen zu sehen, andere, vor allem Soldaten wie Richard, sahen in ihm die größte Herausforderung, die es für einen christlichen Befehlshaber geben konnte.
Im Herbst dieses Jahres nahm Richard Plantagenet, ohne seinen Vater vorher um die Erlaubnis zu bitten, in der Kathedrale von Tours das Kreuz. Damit begannen die Verhandlungen in eine neue Phase zu treten. Richard war nämlich bei aller Begeisterung für die gute Sache nicht gewillt, ohne seine Bestätigung als Erbe Aquitaniens die Heimat zu verlassen, und forderte als zusätzliche Sicherheit, daß John ihn begleiten sollte.
Er argumentierte, daß Henry selbst seinerzeit Louis versprochen hatte, einen Kreuzzug zu führen, und sogar eine Sondersteuer deswegen erhoben hatte. Gut, wenn Henry als König unentbehrlich war, warum sollte dann nicht John das Gelübde seines Vaters an dessen Stelle erfüllen?
Philippe verlangte als Friedenspfand, daß Richard vor seiner Abreise unbedingt mit Alais vermählt wurde.
Am achtzehnten November 1188 trafen der König von Frankreich, der König von England und sein Sohn Richard in Bonsmoulins zusammen. Als Philippe am Ende des dritten Tages erneut seine Bedingungen stellte, waren sie alle erschöpft und aufgerieben.
»Erstens«, sagte Philippe fest, »muß die Ehe zwischen Richard und Alais vollzogen werden.
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