Die Löwin von Aquitanien
Innozenz III. der nichts von der Schwäche seines Vorgängers hatte, erneut zum Kreuzzug aufgerufen und von den Königen von England und Frankreich verlangt, daß sie endlich miteinander Frieden schließen sollten.
Der Ort des Treffens war von Richard bestimmt worden, und manch einer aus dem französischen Gefolge meinte, daß es sich dabei um eine gezielte Beleidigung handelte. Richard befand sich nämlich in einem festverankerten Boot inmitten der Seine. Er traute Philippe ganz offensichtlich nicht einmal soweit, daß er sich mit ihm auf gleichem Territorium aufhalten wollte.
Der König von Frankreich stand am nördlichen Ufer und rief herausfordernd, auf Château-Gaillard weisend: »Bilde dir nur nicht zuviel darauf ein! Und wenn die Mauern aus Eisen wären, ich könnte sie einnehmen!«
Richard rief zurück: »Das merkt man! Und wenn sie aus Butter wären, gegen dich könnte ich sie verteidigen!«
Die Normannen, die am Südufer des Flusses standen, grinsten amüsiert. Philippes Königreich war immer noch von dem Interdikt bedroht, denn er hatte die unglückliche Ingeborg nicht nur verstoßen, sondern hielt sie außerdem noch gefangen.
»Laß uns mit den ernsthaften Verhandlungen beginnen«, sagte Philippe.
»Ernst für dich«, versetzte Richard spöttisch, »besonders nachdem dein guter Freund Heinrich das Zeitliche gesegnet hat. Ich glaube nicht, daß mein Neffe Otto gewillt ist, dich noch länger auf irgendeine Weise zu unterstützen.«
Philippe zuckte die Achseln. »Es steht noch abzuwarten, ob der Sohn des Welfen König der Deutschen und Kaiser bleiben wird. Immerhin gibt es gleich zwei Staufer für dieses Amt.«
Richard lachte. »Gewiß. Einer ist ein vierjähriges Kind in Sizilien, und du wirst doch nicht glauben, daß Innozenz das Risiko eingehen wird, unter Heinrichs Sohn Sizilien und das Reich vereinigt zu sehen, den Kirchenstaat dazwischen. Was Philipp von Schwaben angeht…«
»…so spricht genausoviel für ihn wie für deinen Neffen Otto«, schloß der König von Frankreich.
»Wir werden sehen. Vorerst liegt deine Ile-de-France von mir und Otto eingekreist, und falls es dir noch nicht bekannt sein sollte, dein Plan mit einem neuen Aufstand in Toulouse ist fehlgeschlagen. Der Graf von Toulouse ist tot, und sein Sohn ist sehr angetan davon, meine Schwester Joanna zu heiraten.«
Philippe biß sich auf die Lippen. Das war ihm tatsächlich neu, er verwünschte die Langsamkeit seiner Späher, doch er war fest entschlossen, sich keine Blöße zu geben. Es kam ihm nur darauf an, mit Richard einen Waffenstillstand zu schließen, denn seine Geldmittel waren restlos erschöpft, und er brauchte Zeit, um seinen nächsten Plan ins Werk zu setzen.
»Willst du einen Waffenstillstand oder nicht?« rief er der mächtigen Gestalt auf dem Boot zu.
Richards Stimme wurde über das Wasser getragen: »Zu meinen Bedingungen - der Vorteil des Gewinners.«
Endlich hatte er Philippe da, wo er ihn haben wollte. Die Bedingungen, die er seinem ehemaligen Freund stellte, waren mehr als hart: Für einen Waffenstillstand von fünf Jahren würde Philippe zwar die wenigen normannischen Burgen behalten, die er noch hielt, doch seine Hauptleute durften sie nicht verlassen, um sich im Umland mit Lebensmitteln oder Abgaben zu versorgen. Richard hatte bereits seine Truppen postiert, um dafür zu sorgen, daß nur normannische Männer Steuern einzogen. Philippe würde bald merken, daß sich die Burgen so eher als ein Mühlstein um den Hals erwiesen - da sie von der Ile-de-France aus versorgt werden mußten.
Sie feilschten mehrere Stunden lang, doch am Schluß hatte Richard für sich zusätzlich noch die französischen Rechte an Ort und Kirche von Gisors herausgeschlagen, während er Philippe nur zugestehen mußte, daß dessen Sohn Louis mit einer von Richards Nichten verlobt werden würde.
Richard beobachtete, wie der französische König sich seinem Gefolge zuwandte, um die Bedingungen schriftlich festzulegen, und fragte sich, wie es nur möglich war, daß Philippe nach all diesen Jahren noch denselben heftigen Haß und dieselben Erinnerungen in ihm auslöste wie während seines einen Jahres in Gefangenschaft, als er Zeit genug gehabt hatte, um über das volle Ausmaß von Philippes Tücke nachzugrübeln. Nun, Philippe würde ihn wohl nie gleichgültig lassen, aber nun sah es so aus, als rücke die Befriedigung seines Rachebedürfnisses näher. Natürlich existierte ein Waffenstillstand nur, um gebrochen zu werden, doch wenn
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