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Die Löwin von Aquitanien

Die Löwin von Aquitanien

Titel: Die Löwin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Philippe sich zu diesen Bedingungen bereit fand, schwanden für ihn alle Hoffnungen.
    »Also gut«, sagte der König von Frankreich laut, »ich habe unterschrieben. Ein Waffenstillstand für fünf Jahre. Ich schicke dir das Dokument jetzt hinüber.«
    Ein Boot löste sich vom Ufer, und während Richard es näher kommen sah, breitete sich eine Zukunft vor ihm aus, in der er Philippe endlich besiegt und der ständige Kleinkrieg ein Ende hatte.

    Der Abend hatte sich über Calus-Chabrol gesenkt, und in der Dämmerung, die sich um die Burg und ihre Belagerer legte, sah Hauptmann Mercadier seinen König fragend an. Es war der sechsundzwanzigste März 1199. Sie waren hier, um einen Aufstand Aimars de Limoges niederzuschlagen, hinter dem deutlich die Hand König Philippes zu erkennen war. »Euer Gnaden?«
    »Angriff«, sagte Richard. »Die Burg ist kurz davor aufzugeben, und wir sollten uns beeilen. Wer weiß, was Philippe inzwischen weiter anzettelt.«
    Calus-Chabrol beherrschte den Weg nach Limoges und war so eine der wichtigsten Stationen für den Handel zwischen dem südlichen und dem nördlichen Aquitanien. Es verriet einen geschulten Sinn für Strategie, ausgerechnet hier einen Aufstand zu beginnen, einen In-stinkt, den Aimar de Limoges bestimmt nicht hatte.
    Richard nahm nicht selbst an dem Sturm auf die Burg teil. Er sah zu, wie seine Belagerungsmaschinen Steine schleuderten und die Bogen- und Armbrustschützen näher an die Burgmauer brachten. Er konnte sich allerdings nicht völlig auf den Angriff konzentrieren.
    Seine Lieblingsschwester Marie war vor kurzem gestorben, ihre Mutter an ihrer Seite, und er hatte diesen Verlust noch nicht verwunden.
    Er erinnerte sich an so vieles, das er und Marie geteilt hatten; und nun, da er endgültig mit Philippe fertig zu werden schien, war sie nicht mehr da, um es zu erleben.
    Richard wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Burg zu. Dort war inzwischen ein einzelner Armbrustschütze erschienen, um das Feuer zu erwidern. Der König war beeindruckt. Es war der einzige Bewohner von Calus, der es wagte, sich auf der Burgmauer zu zeigen. Soeben krachte wieder ein ganzer Mauerabschnitt zusammen, doch der Armbrustschütze blieb unbeirrt stehen und schoß weiter wahllos auf die Angreifer, die dadurch nicht im geringsten aufgehalten wurden.
    Richard entschloß sich, sich die einsame Gestalt näher anzusehen; er bewunderte Tapferkeit, wo immer er sie traf. Da er nicht direkt am Kampf teilnahm, hinderte ihn keine Rüstung, sich schnell zu bewegen. Er griff nur nach einem Schild zu seinem Schutz. Die rötliche Abendsonne blendete ihn, und er hob die Hand, um den Mann deutlicher ausmachen zu können.
    In diesem Moment spürte er einen scharfen Schmerz an seiner linken Schulter. Einen Augenblick zu spät hatte er den Schild gehoben, um in Deckung zu gehen, und erkannte ungläubig, daß ihn ein Bolzen jenes Armbrustschützen getroffen hatte. Richard gab keinen Laut von sich. Schließlich war er im Heiligen Land schon schlimmer getroffen worden - seine Männer hatten gespottet, er sehe wie ein Igel aus -, und wenn er jetzt Schwäche zeigte, mochte das seine Leute irritieren und die Verteidiger zu voreiligen Schlüssen hinreißen.
    Richard kehrte langsam und schweigend in sein Zelt zurück. Er setzte sich, nahm das stumpfe Ende des Bolzens in beide Hände und versuchte, ihn mit einem Ruck zu entfernen. Wilder Schmerz tobte durch seinen Körper, und er hielt nur den abgebrochenen Holzschaft in der Hand. Richard fluchte. Er konnte es sich nicht leisten, diese Wunde lange ausheilen zu lassen.
    Er rief einen der Soldaten herein, bei dem er sich darauf verlassen konnte, daß er den Mund hielt, und befahl ihm, sofort den Feldscher zu holen. Bis dieser eintraf, war die Nacht endgültig eingefallen.
    »Also«, sagte der König gereizt, »schneidest du mir jetzt dieses Ding heraus oder nicht?«
    Der Feldscher machte ein bedenkliches Gesicht. »Es sieht so aus, als sei der Bolzen sehr tief eingedrungen, mein König.«
    Richard preßte die Lippen aufeinander. »Das spüre ich selbst, da-zu brauche ich dich nicht. Was ist nun mit der Eisenspitze?«
    »Es ist schon dunkel, Euer Gnaden.«

    »Glücklicherweise«, erwiderte Richard sarkastisch, »hat uns Gott in seiner unendlichen Güte Fackeln geschenkt.«
    Der Feldscher resignierte. Er hätte lieber bis zum Tagesanbruch gewartet, doch er hatte keine Lust, deswegen mit dem König zu streiten.
    Er brauchte Stunden, um die Eisenspitze endlich aus dem Fleisch

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