Die Löwin von Aquitanien
zu holen, und war sehr beunruhigt über den ungewöhnlich hohen Blutverlust.
»Ich muß zuviel Wein getrunken haben«, bemerkte Richard, der nur einmal leise aufstöhnte und sonst still blieb.
»Ihr dürft Euch in den nächsten Tagen nicht bewegen, mein König.«
»Und was zum Teufel sollen dann meine Truppen denken - und der elende Aimar de Limoges?«
»Ihr könntet behaupten, Ihr wolltet Euch einige Tage ausruhen, um Euch zu vergnügen - es sind doch genug Frauen im Lager.«
Der König lächelte schwach. »Ein guter Rat«, entgegnete er. »In Ordnung, sagt den Leuten, ich vergnüge mich, und laßt nur die vier Hauptleute zu mir.«
Zwei Tage später fiel Calus-Chabrol, doch Richards Wunde hatte begonnen zu schwären. Sie war brandig geworden, und bald konnte er sich nicht mehr von seinem Lager rühren.
»Mercadier«, sagte Richard müde, »holt mir etwas zu schreiben.«
Der Hauptmann war einer seiner besten, aber auch einer seiner grausamsten Soldaten. Es hieß, daß er den Tod zu suchen schien und nichts und niemanden fürchte, so wie er sich niemandem je unterordnete - außer dem König. Doch jetzt trug sein Gesicht die Mahnmale der Furcht. Schweigend gehorchte er Richards Befehl.
Richard kritzelte äußerst mühsam einige Worte auf das Pergament, dann ließ er es siegeln. »Bringt das sofort nach Rouen - nein, da ist sie nicht mehr. Bringt es nach Fontevrault zu meiner Mutter.«
Alienor war für die Geschwindigkeit berühmt, in der sie reiste, doch noch niemals hatte sie ihre Begleitung derart angetrieben. Sie stand in ihrem siebenundsiebzigsten Lebensjahr, und dem geplagten Abt von Turpenay, der darauf bestanden hatte, sie zu begleiten, kam es vor, als kenne sie keine Erschöpfung. Seit sie die Botschaft ihres Sohnes erhalten hatte, hatte sie wenig gesprochen, doch die Rastlosigkeit, mit der sie ihre Eskorte anführte, quer durch das Poitou und durch das Limousin, hatte etwas Verzweifeltes an sich. Der Abt wußte immer noch nicht, was genau eigentlich passiert war, nur, daß die Königin vor ihrer Abreise zwei Eilbotschaften an ihre Schwiegertochter Berengaria und an ihren Sohn John in die Bretagne geschickt hatte.
Es schien ihm, als müsse er vor Müdigkeit umfallen, als er am frühen Morgen des sechsten April hinter der Königin herstolperte, die im Eilschritt einem Soldaten in das Zelt ihres Sohnes folgte. Der König lag, von dreien seiner Männer umgeben, auf seinem Lager, und sowie der Abt einen Blick auf die Schulter warf, die ein einziges Eitermeer war, wußte er, daß der König sterben würde.
Alienor machte eine befehlende Geste. »Hinaus!«
»Aber Euer Gnaden…«
»Hinaus, alle, sage ich!«
Einer nach dem anderen verließen sie das Zelt. Alienor ließ sich neben Richard auf die Knie sinken.
»Sie haben mir… die Letzte Ölung gegeben…« sagte ihr Sohn mühsam. »Ich denke… sie wissen nicht… daß wir Plantagenets ohnehin zur Hölle fahren…«
»Auf jeden Fall habt Ihr es erreicht, dramatisch zu sterben«, sagte Alienor.
Richard lächelte. »Ich erinnere mich… Vater meinte immer… wir kommen vom Teufel, und wir gehen wieder zum Teufel.«
»Auf ihn traf das sicher zu.« Sie konnte es kaum ertragen, den Sohn so liegen zu sehen. Nicht Richard, nicht auch noch Richard! Es war ungerecht, so ungerecht, und sie wollte ihn anflehen, ihr das nicht anzutun, doch sie unterdrückte es. Ihr Sohn brauchte jetzt die ganze Stärke, derer sie fähig war. Sie hätte für ihn geatmet, wenn es ihm geholfen hätte. Sie wäre lieber selbst tausend Tode gestorben, als ihn sterben zu sehen.
»Es gibt Neuigkeiten«, sagte sie hastig, »aus dem Heiligen Land.
Henri ist tot, Maries Sohn, und seine Witwe hat ein viertes Mal geheiratet - ausgerechnet Guy de Lusignans Bruder, so daß jetzt wieder ein Lusignan auf dem Thron von Jerusalem sitzt - in seiner Phantasie natürlich.«
Richard schüttelte den Kopf. »Ihr braucht mich nicht abzulenken, Mutter.«
In einem jähen Schmerzensanfall klammerte er sich an ihrer Hand fest. Es war ein Griff, der fast ihre Knöchel gebrochen hätte, doch Alienor sagte nichts. Als er sie wieder losließ, legte sie vorsichtig ihre Arme um ihn, und so blieben sie Stunde um Stunde. Das Gemurmel der Soldaten, die sich mittlerweile um das Zelt versammelt hatten, bildete den Hintergrund zu ihren leisen Stimmen.
»Ich war glücklich dort, im Heiligen Land. Ist das nicht irgendwie… lächerlich? Ich hatte zwei… Skorbutanfälle, war in einen Krieg mit einem der… besten
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