Die Löwin von Aquitanien
honigsüß, »denn wenn das alles so selbstverständlich ist, wozu dann diese wahnsinnige Eile? Einen Brautzug vorzubereiten, braucht normalerweise etwa ein Jahr, von einer Hochzeit ganz zu schweigen. Wir dagegen sitzen einen Monat nach dem Tod des Herzogs schon zu Pferde, und als ob das noch nicht genug ist, hat der König noch vor unserer Abreise ein Privileg für den Erzbischof von Bordeaux erlassen. Irre ich mich, oder hat das Erzbistum nun das Recht, seine Prälaten selbst zu bestimmen, und muß keinen Lehnseid mehr leisten? Das scheint mir schon ein gewaltiger Gunstbeweis zu sein. Könnte es etwas damit zu tun haben, daß der gute Erzbischof die Braut bis zu unserer Ankunft auch in seinem lieben-den und sicheren Gewahrsam behalten soll?«
Sugers Gesicht war nun nicht mehr ablehnend oder mißbilligend, sondern ausdruckslos. »Ihr redet zuviel, Vermandois«, sagte er kalt.
»Eure leichtfertige Zunge wird eines Tages noch Euer Untergang sein.« Damit wandte er sich wieder dem päpstlichen Legaten und Raoul de Vermandois den Rücken zu.
Der verblüffte Graf fiel etwas zurück, um nachzudenken. Er hatte schon vorher einige Überlegungen zu dieser Heirat angestellt, doch fragte er sich nun, ob er in seiner Spottlust nicht noch mehr entdeckt hatte, als er eigentlich hatte wissen wollen. Er beschloß, vorsichtig zu sein, die Sache für den Moment auf sich beruhen zu lassen, und schaute zu dem Bräutigam hinüber, der zwischen zwei Rittern mehr schlecht als recht auf dem prächtigen Streitroß saß, das man ihm gegeben hatte.
Louis war sechzehn, ein dünner, unsicherer Junge mit träumerischem Blick, den man nur anzusehen brauchte, um zu wissen, daß er wirklich besser im Kloster aufgehoben wäre. Raoul de Vermandois fragte sich, wie die neue Herzogin von Aquitanien wohl auf ihn wirken würde. Den Gerüchten nach sollte das Mädchen eine Schönheit sein, aber so etwas sagte man von beinahe jeder Prinzessin, um ihren Wert auf dem Heiratsmarkt noch zu steigern.
Das Land, durch das sie zogen, mit seiner grellen Sonne und den so ungeheuer lebhaften Menschen, die ständig in einer fast unverständlichen Sprache daherschwatzten, erschien ihnen allen sehr fremdartig. Hier sprach man nicht mehr die in der Ile-de-France übliche langue d’oil, sondern die eher dem Katalanischen ähnliche langue d’oc, und die Verständigung fiel den Nordfranzosen oft genug sehr schwer.
Man hatte die Nachricht vom Tod des Herzogs und der bevorstehenden Hochzeit aus Sicherheitsgründen so lange wie möglich geheimgehalten. Eigentlich war es wirklich unglaublich, überlegte Vermandois. Im April stirbt der Herzog, im Juni brechen wir auf, und sofort nach unserer Ankunft wird der Dauphin diese Alienor heiraten. Doch als der Zug am ersten Juli Limoges erreichte, hatten die Gerüchte, die er auslöste, sich über ganz Aquitanien ausgebreitet, und die Wahrheit ließ sich nicht länger verheimlichen. Fortan wurde Louis in jeder Stadt, die sie durchquerten, feierlich begrüßt, und so kamen sie erst am zwanzigsten Juli in Bordeaux an.
Den hiesigen Sitten gemäß konnten sie nicht in der Stadt selbst untergebracht werden, sondern schlugen am anderen Ufer der Garonne ihre Zelte auf. Die Hochzeit hatte den Zustrom einer riesigen Menschenmenge ausgelöst, und als Louis zum Entsetzen seiner Eskorte dem Stadtrat bei dessen Begrüßung auch noch leutselig versicherte, jeder Gast werde hier bewirtet und sei herzlich willkommen, nahm der Zulauf an Volk überhaupt kein Ende mehr. »Als ob sie sich verschworen hätten, die königliche Börse zu leeren«, verzeichnete die Chronik später säuerlich.
Auch im nördlichen Frankreich wurden die Festlichkeiten der Fürsten vom Volk immer genutzt, um sich einmal satt essen und vergnügen zu können. Dennoch schockierte die Männer des Brautzugs die Hemmungslosigkeit, mit der die Aquitanier die königliche Großzügigkeit ausnutzten. Höhepunkt der Feierlichkeiten vor der Hochzeit war natürlich die erste Begegnung der beiden Verlobten, die ursprünglich gar nicht geplant, aber, so hörte man, von der jungen Herzogin ausdrücklich verlangt worden war.
Louis kam, von Abt Suger, Raoul de Vermandois und seinem Gefolge begleitet, in das Palais l'Ombrière, wo der Erzbischof von Bordeaux mit Alienor residierte. Sie wurden zunächst sehr freundlich vom Erzbischof willkommen geheißen. Er hat allen Grund, freundlich zu sein, dachte Vermandois belustigt, während er niederkniete, um den Ring des Kirchenfürsten zu
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