Die Löwin von Aquitanien
Allein aus Pflichtgefühl hatte er sich auf den Weg gemacht.
Niemals hätte er gedacht, daß ein Mädchen so wie Alienor sein könnte und ihn so gefangennehmen würde. Er hörte mehr dem Klang ihrer Stimme zu als dem, was sie sprach, hörte sie gelassen ihre Meinung äußern und dann wieder freimütig scherzen und raffte schließlich all seinen Mut zusammen, um sie zum Tanz aufzufordern. Ihre Hand mit den langen, schlanken Fingern fühlte sich kühl und fest in der seinen an.
Er bemerkte sehr wohl, daß sie ihm zuliebe nicht ihre heimatliche langue d’oc, sondern das Nordfranzösische mit einem reizenden Akzent sprach, und zum ersten Mal war Louis froh, daß man ihm wenigstens das Wichtigste an höfischen Sitten beigebracht hatte. So konnte er zumindest mit ihr tanzen und höfische Nichtigkeiten aus-tauschen. Was er ihr wirklich sagen wollte, ließ sich ohnehin nicht in Worte fassen. Als Instrumente geschlagen wurden, die man, wie sie ihm erklärte, Tambourine nannte, und die einen wilderen Tanz an-stimmten, geleitete er sie bedauernd zu ihrem Platz zurück. Er fühlte sich zwischen Himmel und Hölle schwebend. Sie würde seine Gattin werden, das versetzte ihn in Euphorie, doch was, wenn sie ihn nicht mochte?
Alienor war enttäuscht und zornig über den Erzbischof, weil er ihr so lange den Tod ihres Vaters verheimlicht und sie so in eine Lage gebracht hatte, in der sie mehr oder weniger gezwungen war, zu heiraten. Sie zweifelte sehr daran, daß diese Ehe wirklich der letzte Wunsch ihres Vaters gewesen war, doch andererseits hatte er ihr selbst Argumente genannt, die für eine derartige Verbindung sprachen, und mochte auf dem Totenbett geglaubt haben, daß sie unmöglich Aquitanien alleine halten konnte.
Was ihren Bräutigam anging, so empfand sie Mitleid und Sympathie. Von dem Moment an, als sie ihn zwischen all den berechnen-den, machthungrigen Männern stehen sah, war er ihr als der einzig Unschuldige in diesem Spiel erschienen. Sie wurden beide nur benutzt, was schon ein Band zwischen ihnen schuf, und sie fühlte bereits eine Art Verantwortung für ihn, obwohl sie ein knappes Jahr jünger war. Sie würde schon noch dafür sorgen, daß keiner von ihnen mehr benutzt werden konnte, das schwor sie sich, doch für den Augenblick blieb ihr nichts anderes übrig, als die willige Braut zu spielen.
Am fünfundzwanzigsten Juli fand in der Kathedrale Saint-André von Bordeaux die Hochzeitszeremonie statt. Gleich nach dem Ehegelöbnis setzte Louis seiner Braut vorsichtig ein goldenes Diadem aufs Haupt, um sie in Abwesenheit seines Vaters als neues Mitglied der königlichen Familie anzuerkennen. Alienor lächelte ihn an. Während sie unter Glockengeläut und der begeisterten Teilnahme des Volkes aus dem Portal traten, hätte keiner ihrer Untertanen ihre Gedanken erahnt. Alienor dachte daran, daß der Tod die Mitglieder ihrer Familie ein wenig zu oft ereilt hatte, um zufällig sein zu können. Sie war mehr und mehr davon überzeugt, daß ihr heimlicher Feind in Frankreich lauerte. Sie empfand weniger Furcht als Herausforderung und den festen Wunsch nach Rache. Alienor hob ihr Kinn und lächelte, und die Menschen, die nur eine strahlende junge Braut sahen, nach aquitanischer Sitte in Scharlachrot gekleidet, jubelten ihr zu.
Das Hochzeitsgelage übertraf in seiner Vielfalt alles bisher Dagewesene, obwohl Louis es kaum wirklich genießen konnte. Erstens war er von Saint-Denis her keine Schlemmerei gewohnt, und in den letzten Tagen hatte es deren ohnehin schon zuviel gegeben, und zweitens löste der Gedanke an das, was in der Nacht von ihm erwartet werden würde, ein nervöses Gemisch aus Anspannung, Beunruhigung und Sehnsucht in ihm aus. So brachte er nur einige der scharf gewürzten Speisen mit Mühe herunter. »Oh«, rief ein dunkler, fast arabisch aussehender Edelmann aus Alienors Gefolge grinsend, »aber Euer Gnaden müssen mit Eurer Braut die Trüffel teilen, sonst findet die Ehe keinen Segen!«
Louis fragte sich, was das wieder für ein südlicher Aberglaube war, doch die grinsenden Gesichter der Aquitanier um ihn sagten ihm, daß sie es alle sehr genau wußten. Alienor lachte, ließ sich die Trüffel reichen und kostete langsam davon. Er hatte nicht gewußt, daß allein eine Frau essen zu sehen schon aufregend wirken konnte.
Heute lernte er es.
Anschließend bot sie ihm die Platte dar. »Bitte, mein Gemahl, nimm, es ist wirklich ein alter Brauch hier.«
»Gerne, meine Gemahlin«, erwiderte er und
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