Die Löwin von Aquitanien
schäumten die Poiteviner vor Dankbarkeit über und priesen die Güte des Königs. Aber daß sie ihn, Suger von Saint-Denis, bei ihrem Spiel benutzt und zum Narren gehalten hatte - das war zuviel.
Diese Demütigung würde er ihr irgendwann heimzahlen, irgendwann.
Nach ihrer Rückkehr machte sich eine gewisse Entfremdung zwischen König und Abt bemerkbar. Louis verstand die ablehnende Haltung seines Ziehvaters Alienor gegenüber nicht und klammerte sich, durch Sugers Groll verletzt, um so fester an sie. Bald fragte er Alienor in allen Angelegenheiten offen um Rat.
Alienor hatte, was sie wollte, und hätte nun glücklich sein können.
Statt dessen spürte sie eine ständig wachsende Mischung aus Unzufriedenheit und Rastlosigkeit. Der Reiz der Neuheit von Paris war verflogen, ihr Heimweh nach dem Süden, nach Sonne und Wärme wurde immer heftiger. Der einzige Mensch, für den sie an diesem Hof wirklich etwas empfand, war Louis, und ihr Gefühl für Louis war nicht tief genug. Sie fand ihn ihr rührend ergeben, aber sie wußte, daß sie beide so verschieden wie Sonne und Mond waren. Sie verstand ihn nur allzu gut - Louis den Reinen, Louis den Einfachen -, während er sie überhaupt nicht verstand, auch wenn er das gelegentlich glaubte.
Wie sollte er auch, er kannte sie nicht einmal, kannte nur die angenehme Fassade, während sie die dunkle, leidenschaftliche Seite ihres Wesens in seiner Gegenwart immer zügeln mußte, was ihr einige wenige Male nicht gelungen war.
Dazu kam, daß sie immer noch nicht schwanger war, was allmählich zu Getuschel führte. Alienor kam aus einer fruchtbaren Familie, doch als die Jahre ohne das geringste Anzeichen einer Empfängnis vergingen, hieß es immer vernehmlicher, die Königin sei unfruchtbar. Sarkastisch dachte Alienor, daß es merkwürdigerweise in solchen Fällen nie hieß: »Der König kann keine Kinder zeugen.« Sie hatte lange nicht gewagt, sich einzugestehen, was sie bei Louis’ kurzen Versuchen, ihren Körper in Besitz zu nehmen, empfand - sie langweilte sich einfach. Wäre sie älter oder erfahrener gewesen und hätte gewußt, daß in dieser Beziehung nicht alle Männer gleich waren, hätte sie längst die Versuchung zum Betrug gespürt. So aber empfand sie nur Langeweile.
Louis spürte Alienors Rastlosigkeit. Die uneingestandene Angst, sie zu verlieren, trieb ihn dazu, sich ein weiteres Mal als Held beweisen zu wollen. Er wußte, daß Toulouse für Alienors Vater eine ständig blutende Wunde gewesen war, und glaubte nun, mit dem Erfolg von Poitiers im Rücken, die Lösung gefunden zu haben: Er würde Toulouse erobern und es Alienor als Geschenk zu Füßen legen, etwas, was Guillaume X nie gelungen war (und der unbekannte Raymond hatte es erst gar nicht versucht - sagte das nicht schon alles?).
Toulouse befand sich jedoch, anders als Poitiers, schon seit Jahren im Kriegszustand; die Stadt war mehr als gewappnet, und es hätte eines weit besseren und erfahreneren Feldherrn als Louis bedurft, um hier etwas auszurichten. Enttäuscht und erfolglos kehrte Louis zurück. Mit ihm kam Alienors jüngere Schwester Petronille, die nun so alt wie Alienor bei ihrer Heirat war.
Alienor begrüßte Petronille mit offenen Armen und viel begeisterter als je in ihrer Kindheit, denn nun stellte Petronille für sie ein Stück Aquitanien dar, ein wenig glückliche Vergangenheit. Petronille hatte sich zu einem hübschen, ein wenig rührseligen jungen Mädchen entwickelt. Sie besaß nicht die Schönheit ihrer Schwester, doch man konnte ihre dunkle, grazile Erscheinung als anmutig beschreiben. Sie war beeindruckt von dem Glanz ihrer Schwester als Königin von Frankreich und hatte sich dank ihrer gefälligen Art in wenigen Wochen einen festen Platz im Kreis um Alienor geschaffen.
Alienor saß in einer Fensternische, hatte die Knie angezogen und war dabei, Bänder zu besticken. Als sie sich in den Finger stach und ein Blutstropfen auf die bereits fertiggestellten grünen Sterne fiel, stieß sie mit zusammengepreßten Lippen einen Fluch hervor, den sie bei ihrem Großvater gehört hatte, und warf das Stickzeug an die Wand.
Petronille lachte leise. »Unsere Mutter wäre entsetzt, wenn sie dich so sähe«, sagte sie vergnügt. »Ach, ich habe das immer gehaßt«, antwortete Alienor. Die Schwestern sprachen in ihrer vertrauten langue d’oc.
Petronille hob das mißhandelte Band mit der Nadel auf, kam zu ihr und legte ihren Kopf auf Alienors Schulter. Sie war ein zärtlichkeitsbedürftiges
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