Die Löwin von Aquitanien
Wesen, was einen Teil ihrer Anziehungskraft ausmachte, doch heute hatte sie etwas auf dem Herzen.
»Alienor«, sagte sie schließlich, »ich muß dir etwas erzählen.«
»Das nehme ich an«, gab Alienor ironisch zurück und hob die Augenbrauen. »Seit einiger Zeit muß ich schon beobachten, daß du wie auf Wolken herumläufst, sowie ein gewisser edler Herr in der Nähe ist.«
»Du weißt es?«
»Petronille, ich glaube, bei Hof lebt niemand, der es nicht weiß«, erwiderte Alienor und brach in Gelächter über die entsetzte Miene ihrer Schwester aus.
»Unsinn, ich mache nur Spaß. Aber ich muß dich warnen. Raoul de Vermandois ist verheiratet.«
»Das ist es eben«, seufzte Petronille. Der Graf de Vermandois hät-te zwar ihr Vater sein können, doch das schien seinen Reiz in ihren Augen noch zu erhöhen. »Er und ich, wir lieben uns«, sagte sie arglos, »und seine Gemahlin ist ohnehin seine Cousine, also könnte die Ehe doch annulliert werden, und dann heiraten wir.«
Alienor musterte ihre Schwester und dachte, daß sie wirklich ein Wunder an Naivität war. Alienor mochte Raoul de Vermandois, doch sie war sich völlig im klaren darüber, daß er schlechter fahren könnte, als die Schwester der Königin zu heiraten. Er mochte in Petronille verliebt sein, aber sie bezweifelte, daß er bereit gewesen wäre, für ein unbedeutendes junges Mädchen seine Gemahlin zu verlassen, die immerhin die Nichte des mächtigen Thibaud de Blois, Graf der Champagne, war. Und genau darin lag die Schwierigkeit. Petronille sprach so selbstverständlich über die Annullierung einer Ehe, die auf Betreiben eines einflußreichen Mannes zustande gekommen war. Es stand nicht zu erwarten, daß Thibaud de Blois die Pläne seines Cousins und angeheirateten Neffen so einfach schlucken würde.
»Alienor, du wirst uns doch helfen, oder? Wenn Louis seine Bischöfe bittet, die Ehe für ungültig zu erklären, tun sie es bestimmt!«
Tränen standen in Petronilles Augen. »Ich liebe Raoul so sehr, daß ich sterben könnte.«
»Bist du denn sicher«, fragte Alienor behutsam, »daß er dich ebenfalls liebt?«
»Ach, du weißt nicht, was Liebe ist, sonst würdest du so etwas nicht fragen!« entgegnete Petronille heftig. »Natürlich liebt er mich, das weiß ich!«
Alienor war betroffener, als sie zugeben wollte. Es ist wahr, dachte sie, ich weiß nicht, was Liebe ist. Petronille mag töricht sein, aber sie weiß es. Sie sah ihre Schwester an und fällte impulsiv einen Entschluß. Wann hatte sie schon einmal die Gelegenheit, etwas Uneigennütziges zu tun? Mit einem Hauch von Bitterkeit, der gegen sie selbst gerichtet war, fügte sie schweigend hinzu: so uneigennützig nun auch wieder nicht. So bekomme ich wenigstens dieses Wunder, eine Ehe aus Liebe, einmal in meinem Leben zu sehen.
Dieses Jahr, 1141, war für die Kirche voller Unruhen. Auf dem Konzil von Sens gelang es Bernhard von Clairvaux, die Verurteilung der Lehren Pierre Abélards durchzusetzen, eine Entscheidung, die innerhalb des Klerus für heftige Auseinandersetzungen sorgte und einen Teil der Kirchenfürsten in rebellische Stimmung brachte. Als Louis daher seine Bischöfe bat, die Ehe von Raoul de Vermandois mit der Nichte des Grafen der Champagne auf ihre Gültigkeit zu untersuchen, gab es gleich drei, die erklärten, nach kanonischem Recht seien die beiden zu nahe verwandt, und damit sei die Ehe annulliert.
Petronille und Raoul de Vermandois heirateten unverzüglich, und eine Weile sah es so aus, als habe die Angelegenheit so ihr glückliches Ende gefunden. Doch Thibaud de Blois wandte sich an den Papst selbst, und da er einer der einflußreichsten - und wohlhabendsten - Männer im Lande war, wurden das neuvermählte Paar sowie die drei Bischöfe unverzüglich exkommuniziert, und die Champagne befand sich im Aufstand.
Alienor gestand sich insgeheim ein, einen Fehler begangen zu haben, doch jetzt konnten sie nicht mehr zurück, und als Louis’ Kandidat für das freigewordene Erzbistum Bourges vom Papst barsch zurückgewiesen wurde, ermutigte sie ihn, darauf zu beharren. Sie wußte, daß es nicht um die Ehe ihrer Schwester ging, sondern um die Machtfrage zwischen Kirche und König, und kein Herzog von Aquitanien hatte in dieser Beziehung jemals einen Fußbreit nachgegeben.
Ihren Großvater hatten seine zahlreichen Exkommunikationen nicht einmal schlaflose Nächte gekostet.
Doch Louis war nicht Guillaume IX. Er war verzweifelt über die Auseinandersetzung mit dem Papst, sah aber
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