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Die Löwin von Aquitanien

Die Löwin von Aquitanien

Titel: Die Löwin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Angelegenheit hätte zu einer weiteren Entfremdung zwischen Alienor und Louis führen können, hätte sie nicht kurz vor seinem lang vorbereiteten öffentlichen Bußgang entdeckt, daß sie endlich ein Kind erwartete. Sie waren beide überglücklich und beschlossen, es zum Osterfest bekanntzugeben. Louis erschien Alienors Schwangerschaft wie ein Zeichen der Vergebung Gottes, und er bestand darauf, mit ihr jeden Tag mehrere Stunden vor dem Schloßaltar zu beten, um Gott für seine Gnade zu danken. Alienors Vorsatz, sich Louis gegenüber nachgiebig und sanftmütig zu zeigen, geriet dadurch sehr ins Wanken. Am dritten Tag stand sie auf, ließ ihren im Gebet versunkenen Gemahl zurück und wollte entschlossen die Kapelle verlassen, als sie ein jäher Schmerz überfiel. Sie krümmte sich, sank in die Knie.
    »Nein«, stöhnte sie, »nein.« Der Schmerz kam zurück, kam immer wieder. »Louis!« Er schrak auf und rannte zu ihr. Alienor biß sich auf die Lippen, um nicht zu schreien, und schaffte es schließlich, heiser hervorzustoßen: »Es… es… ist das Kind… hol doch… irgend jemanden…«
    Aber sie waren allein, niemand war in Rufweite, und Louis konnte sie nicht einsam auf dem kalten Marmorboden zurücklassen, während sie ihr Kind verlor. So blieb er, hielt ihre Hände fest und erlebte in ohnmächtiger Verzweiflung die Fehlgeburt ihres ersten Kindes.
    Als Alienor imstande war, sich zu erheben, lag in ihren Augen eine Kälte, die ihn zurückschrecken ließ. »Laß uns für das arme Wesen beten«, stammelte er hilflos.
    »Beten! Ich werde zu Gott beten«, sagte Alienor mit abgewandtem Kopf, »wenn ich ihm verziehen habe!«

    Die geplagte Bevölkerung war im Grunde erleichtert gewesen über die Entscheidung des Königs, sich dem Papst zu unterwerfen. Zu Sugers großem Versöhnungsfest im Kloster Saint-Denis kam jedoch nicht nur das einfache Volk, sondern auch alle Äbte der großen Klöster des Königreichs.
    Saint-Denis, Sugers Kloster, war von dem reuigen König mit üppigen Geschenken aus der königlichen Schatzkammer überhäuft worden. Daß der größte Teil des neuen Prunks aus Aquitanien stammte und zu Alienors Mitgift gehört hatte, verschaffte dem Abt tiefe Befriedigung. Auch der Graf der Champagne hatte ihn mit einer herrlichen Sammlung von Topasen und Granaten überhäuft, und Suger hatte allen Grund, sein Kloster als das reichste des Landes zu bezeichnen. Von zahlreichen Bischöfen in vollem Ornat umgeben, deren goldbestickte Mitren sie als hohe Würdenträger der Kirche auswiesen, empfing er seinen ehemaligen Schüler und dessen Gemahlin.
    Ein Raunen lief durch die wartende Menge, als sie des Königs und der Königin ansichtig wurden. Louis trug das graue Hemd und die Sandalen der Büßer; die Frau an seinem Arm jedoch war in ein herausforderndes, dunkles Scharlachrot gekleidet, und auf ihrem Kopf erglänzte ein Perlendiadem. Beide knieten vor den Vertretern des Klerus nieder. Auch Suger verstand eine öffentliche Geste zu würdigen und nickte der Königin unmerklich zu, während der päpstliche Legat laut verkündete:
    »Louis, geliebtes Kind Gottes, sei wieder in Frieden aufgenommen in die Gemeinschaft der Gläubigen und mit dir dein Land!«
    Alle Anwesenden brachen in Jubel aus, und während sich Louis strahlend erhob, beobachtete Suger, wie die Königin sich bekreuzigte - noch nie hatte in so frommer Geste so viel Spott gelegen.
    Als der öffentliche Teil der Feiern zu Ende war, wurde Alienor von Geoffrey du Loroux beiseite genommen. Der Erzbischof von Bordeaux fragte freundlich: »Alienor, du siehst müde aus und blaß, was ist dir, mein Kind?« Die junge Frau wandte sich ihm zu. Dieser Mann war ein alter Freund ihres Vaters, er hatte sie getauft, er hatte ihre Ehe gesegnet, und obwohl sie ihm sein eigennütziges Handeln 73
    mit dem französischen König sehr übelgenommen hatte, glaubte sie doch, daß er ihr nie wissentlich etwas Böses tun würde. Plötzlich war sie froh, ihm hier unter den selbstgefälligen Priestern wiederzubegegnen; er war ein Aquitanier, und seine Freundlichkeit, so selten geworden in der letzten Zeit, berührte sie an diesem Tag der Niederlage.
    »Ehrwürdiger Erzbischof, ich… ich habe Heimweh!« entfuhr es ihr, eigentlich gegen ihre Absicht. Geoffrey du Loroux strich ihr über das Haar; er war der einzige Mensch auf der Welt, der sie noch wie ein Kind behandelte, und sie kämpfte plötzlich mit den Tränen.
    »Warum kehrst du dann nicht zu uns zurück, Alienor«, fragte er

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