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Die Löwin von Aquitanien

Die Löwin von Aquitanien

Titel: Die Löwin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Wirklichkeit ihre Tochter Constance umwarb. Die Regentin fühlte sich wohl so geschmeichelt, daß sie die Verlobung mit Roger beendete, und als sie erfuhr, wessen Hochzeit der Patriarch wirklich vorbereitete, war es zu spät. Ihr blieb nichts anderes übrig, als sich auf ihr Landgut zurückzuziehen, und so ist Raymond jetzt Beherrscher von Antiochien!«
    »Und das findest du bewundernswert?« Louis hatte nicht gewußt, daß seine Stimme so scharf klingen konnte. »Ich halte es für die unritterlichste und unsittlichste Geschichte, von der ich je gehört habe!«
    Die Miene seiner Gemahlin hatte sich jäh verändert. Die zusammengezogenen Brauen und der Ausdruck der Augen verhießen nichts Gutes; er hatte sie noch nie so ärgerlich gesehen. »Willst du damit sagen«, fragte sie eisig, »daß Raymond lieber, um sein Fürstentum zu gewinnen, einen Krieg führen und dadurch ein Land gegen sich hätte aufbringen sollen, das ihn noch gar nicht kannte? Er hat es nicht nötig, seine Tapferkeit so unter Beweis zu stellen - er ist angesehen genug. Wofür, glaubst du, hat ihn der englische König zum Ritter geschlagen?«
    »Dennoch denke ich…«
    »Und ich denke, du bist einfach eifersüchtig! Dein Königreich ist dir in den Schoß gefallen, ohne daß du das geringste dafür tun mußtest.«

    Es herrschte betroffenes Schweigen. Dies war ihr erster echter Streit, und Alienor sah den verwundeten und entsetzten Blick, mit dem Louis sie anschaute. Er protestierte nicht oder wies sie zurecht; wenn er das getan hätte, hätte sie ihm entgegengeschleudert, daß auch er sich den größten Teil seines Königreichs erheiratet hatte, und das, ohne sich wenigstens vorher die Mühe gemacht zu haben, es kennenzulernen wie Raymond. Sie war ganz in der Stimmung, eine große Auseinandersetzung zu führen, doch angesichts seiner offen-kundigen Hilflosigkeit spürte sie, wie ihr Zorn dahinschmolz. Es machte keinen Spaß, Louis zu verletzen; es war zu einfach.
    »Es tut mir leid, Louis«, sagte sie leise und griff nach seiner Hand.
    »Es tut mir leid, Liebster.«
    Louis war nur allzu glücklich, daß sie eingelenkt hatte, doch im Grunde wußte er, daß er nie zufrieden sein würde, ehe er sie nicht seinetwegen so voller Freude sah wie für Raymond, ehe er ihr nicht beweisen konnte, daß er ihren Onkel weit übertraf.

    Die Gelegenheit dazu sollte er eher erhalten, als ihm lieb war, denn Paris erreichte die Nachricht, daß die Bürger von Poitiers sich gegenseitig durch einen Eid verpflichtet hatten, die Oberhoheit ihres Grafen nicht mehr anzuerkennen - und der Graf von Poitiers war der jeweilige Herzog von Aquitanien.
    Alle Farbe wich aus Alienors Gesicht, als sie es erfuhr, und Louis hatte einen Moment lang Angst, sie würde ohnmächtig werden. Dann sah er ihre zornflammenden Augen und fürchtete, sie würde statt dessen einen Wutanfall bekommen. Doch wieder irrte er sich. Über Alienors Gestalt kam eine fast unheimliche Ruhe. Nur ihre Hände öffneten und schlossen sich langsam.
    Alienor hatte das Gefühl, sie müßte ersticken. Ein Jahr! Nur ein Jahr war sie fort, und schon hatte man sie verraten, nicht hier in Paris, in der Fremde, wo sie darauf gefaßt gewesen war, sondern in ihrer Heimat, in Aquitanien. Und es war Poitiers, Poitiers, die Lieblingsstadt ihres Großvaters, der Stammsitz der Herzöge. Sie kam sich vor, als hätte ein Mensch, den sie liebte, ihr ein Messer in den Rücken gestoßen, und ihr ganzes Wesen schrie nach Rache für solchen Verrat.
    Doch ihr Erbe war nicht nur die blinde Leidenschaft ihres Großvaters, sondern auch Dangerosas kühle Überlegung, und sie zwang sich, das Ereignis in den richtigen Ausmaßen zu sehen. Jetzt mußte man planen. Langsam breitete sich um ihren Mund ein Lächeln aus, und Louis, der sie besorgt beobachtete, erschrak. War sie verrückt geworden? Alienor las seine Gedanken so deutlich, als hätte er sie ausgesprochen, und schüttelte den Kopf. Dann teilte sie ihm mit, vorsichtig in die Form von Bitten und Ratschlägen gekleidet, was er zu tun hatte.
    »Aber das ist grausam!« protestierte Louis, als sie geendet hatte.
    »Unchristlich und grausam!«
    »Pah!« erwiderte Alienor verächtlich. »Grausam! Sie sind die Rebellen, und du bist der König, und es ist ohnehin nur zum Schein.«
    »Ich weiß«, sagte Louis niedergeschlagen. »Aber selbst so ist es mir zuwider, denn sie werden es glauben, und es wird furchtbar für sie sein, bis…«
    »Es ist furchtbar für mich!« entgegnete Alienor heftig.

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